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Segeln, zelten und lächeln von Holland, England und Frankreich bis Sankt Gotthard im Mühlkreis

Bin ich Hans im Glück? Nach 35 Tagen trampen im Ausland, halbe Zeit am Segelboot, halbe Zeit mit Zelt unterwegs, entsprechend bepackt, steige ich spätabends an meinem Heimatbahnhof Rottenegg aus dem Lokalzug. Da lächelt mich der Willi an, die gute Seele meines Dorfes. Er bringt mich in seinem Auto die 150 Höhenmeter hinauf bis zu meiner Haustür in St. Gotthard.

Das Wahrnehmen von Glück, dem glücklichen Zufall, die Freude, das Lachen – das waren die Themen verschiedener Ereignisse und Veranstaltungen der letzten Zeit. Begonnen hat es vor vier Jahren in Vanuatu, wo ich bei den „glücklichsten Menschen der Welt“ zu Gast gewesen bin. Im Vorjahr sind im Nachbardorf Musiker aus Bhutan zu Besuch gewesen. Dort ist das Bruttosozialglück in der Verfassung verankert. Es hat breite Bewusstheit in der vorwiegend buddhistisch geprägten Bevölkerung. Es war mein Thema des Jahres geworden: Dem glücklichen Zufall Chancen geben. Das Lächeln der Menschen genießen.

Start in Herkingen im Süden Hollands

So gerüstet begebe ich mich im Juli 2015 auf die Reise ins holländische Herkingen. Ich gehe dort auf eine Segelfahrt mit 3 Männern, die ich alle vorher nicht kannte. Mit Eberhard, dem Eigner der „Zeemin“, bin ich über ein Mitsegel-Forum bekannt geworden. Er hat eine kleine Segelkommune um sich. Seit ein paar Jahren fahren die alle abwechselnd auf seiner Yacht. Wie schon in den Jahren vorher, soll es wieder nach England gehen, diesmal an die Südküste bis zu den Scilly‘s ganz im Westen. Dann über den Ärmelkanal wieder zurück an die Bretagne und von da nordostwärts heim nach Holland. Er bot Kojen „Hand gegen Koje“ für Mitsegler an. Da habe ich mich für 4 Wochen angemeldet, mit einer Woche Unterbrechung in Südengland. Mal sehen, was der Zufall noch vor hat mit mir.

Das kleine Dorf Herkingen liegt im Süden der Insel Goeree-Overflakkee. Die Insel selbst liegt im Südosten von Holland. An ihrer Nordküste befindet sich der Haringvliet, ein Binnengewässer, das eigentlich ein Teilarm des Waal, der seinerseits der größere Arm des Rhein-Maas-Deltas ist. Der Haringvliet war ursprünglich Brackwasser. Heute ist er Süßwasser infolge des Sperrwerkes gegen die Nordsee. Dadurch ging das marine bis brackische Ökosystem verloren. Weil der Biesbosch (ein Naturpark in der Provinz Noord-Brabant) im Mündungswinkel von Rhein und Maas nicht mehr regelmäßig überflutet wurde, ging der Schilfgürtel zugrunde. Grevelingen heißt das Binnengewässer an dem Herkingen und seine saubere, fast sterile Marina im Süden liegen. Der Grevelingen, ursprünglich eine Meeresbucht, hat nach wie vor Salzwassercharakter, denn er ist nicht nur vom Meer, sondern auch vom Flusswasser durch Sperrwerke getrennt. (Quelle: Wikipedia).

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Hier hat Eberhard seine SY Zeemin liegen. Das sind ihre Daten: Jeanneau Sunlight 31, Polyester, Slup getakelt, Baujahr 1990, L/B/T/H: 9,45/3,20/1,50/13,50, 48 m² Segel, Yanmar 2GM20 16 PS. Skipper in der ersten Halbzeit ist Jürgen, ein Jungpensionist aus Köln..

In der Vorstellungsrunde bekunde ich gleich mal, dass ich hier Lernender bin. Mir Mittelmeer-Skipper seien Ebbe und Flut recht unbekannt, staple ich tief. Wenn ich richtig gezählt habe, sind es 9 oder 10 Schleusen gewesen, durch die wir am ersten Tag gefahren sind, ehe wir in der Abenddämmerung bei Vlissingen an der Scheldemündung das Meer erreicht hatten. Ich habe viel Zeit, am Wisch-Handy mein neuerworbenes „Navionics“-App zu erlernen.

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Unser Weg bis ans offene Meer führt gleich mal durch die Schleuse bei Bruinisse. Damit sind wir in der Oosterschelde angekommen. Über die nächste Schleuse kommen wir ins Veerse Meer. Das ist ein langgezogenes schmales Gewässer. Durch den Bau eines Dammes ist es Binnengewässer geworden. Das Wasser hatte hier den hohen Salzgehalt zunächst verloren, was sich negativ auf das Leben im Wasser und dessen Nutzung ausgewirkt hat. Muschelfischer und Bürgerinitiativen konnten erreichen, dass nun wieder ein ausreichender Austausch mit Meerwasser geschieht. (Quelle: Wikipedia).

Im Veerse Meer liegen dreizehn kleinere, unbewohnte Inseln und Sandbänke. Über eine davon haben wir die Handbreit Wasser unterm Kiel nicht halten können. Der Skipper ist erfahren darin: Er beordert unsere gewichtigen Körper nach steuerbord. Maschine vorwärts, Ruder stark eingeschlagen. Langsam dreht sich der Rumpf und dann sind wir auch schon wieder frei. Dass ich – dank Navionics – 3 Sekunden zuvor durch Warnrufe den Skipper von seinem Weg in die Untiefe abhalten wollte, hat mir samt meinem schlauen Handy verständlicherweise keine Anerkennung gebracht.

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Bald darauf biegen wir nach links ab in den Kanal, der uns nach Vlissingen bringen wird. Er beginnt mit einer Schleuse. Im Verlauf des Kanals kommen wir durch weitere 5 oder 6 Schleusen, deren Aufgaben mir nicht ganz klar waren. Eine letzte Schleuse hinter dem Hafen von Vlissingen und wir sind im Meerwasser. Alexi steuert in der Abenddämmerung die Marina gegenüber an.

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Wir haben jetzt ganz viele Lichter vor uns. Die Frage ist, wie so oft bei nächtlichen Ansteue­rungen: Was sind Verkehrsampeln, Straßenla­ternen oder Reklame, und was sind die Seezei­chen? Wir meinen es alle gut, was wir meinen, dem Alexi raten zu müssen. Bis der sich heftig wehrt dagegen und dann, unbehelligt von uns 3 Skippern an Bord und deren vielen Ratschlägen, den richtigen Weg zu einer freien Stelle an ei­nem der Stege der Marina Breskens fin­det, am linken Ufer der Scheldemündung.

Mein Navigationsprogramm zeigt nicht nur Ufer, Leuchtfeuer, Tiefen und Untiefen, sondern auch die aktuelle Höhe der Gezeit und den aktuellen Gezeitenstrom. Wer die Gezeit nur elektronisch abfragt, wird das Berechnen nicht lernen. Das ist wie beim GPS: Das Peilen und Koppeln wird der nicht lernen, der nur mit GPS fährt.

Ich lass mir daher von Jürgen, unserem Skipper, auffrischen, was seit dem Segelkurs längst verschüttet ist. Er warnt mich vor den verschiedenen Bezugsorten und deren unterschiedlichen Ortszeiten. Er weiß, wovon er spricht. Jedenfalls hatten wir am ersten Tag – wider berechnungsgestütztem Erwarten – den Strom stundenlang gegen uns. Wenn das Segeln Spaß macht, ist das kein Problem – denn der Spaß währt dann eben länger. Es gab viel aufzukreuzen. Wir hatten aber auch den Strom gegen uns. Dazu Regen. So richtig spaßig daran ist allenfalls, dass man sich das antut.

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Etwas Abwechslung bringen die reich mit Seezeichen bestückte Meerlandschaft und der ständige Blick auf den Tiefenmesser, denn das Wasser in Küstennähe ist seit Holland sehr flach. Es gibt regen Schiffsverkehr. Wir haben aktives und passives AIS an Bord, das heißt wir werden per UKW-Funknetz erkannt und wir erkennen die großen Schiffe, die alle AIS haben. Das AIS meldet uns Ort, Geschwindigkeit, Richtung und allfällige Kursänderung der anderen. Der im AIS integrierte Rechner meldet uns, wann unsere Annäherung am geringsten sein wird und wie weit wir dann voneinander entfernt sein werden. Das entspannt das Fahren in viel befahrenen Gewässern gewaltig.

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In und um Dünkirchen hat es extrem schlechte Luft. Es raucht aus allen Schloten. Hässlich der Hafen und die Skyline. Wie können Menschen da bloß leben?

Und wie immer – irgendwann kentert der Strom ja doch. Es dämmert bereits, als wir in Dünkirchen, den ersten Hafen in Frankreich, einlaufen. Die Marina ist fein und sauber. Wir dürfen uns willkommen fühlen.

Erhard hat viel Erfahrung als Segler, Skipper und Segellehrer. Er manövriert souverän das Boot in die einzige, sehr enge Parklücke der Marina: Maschine vor, Maschine zurück, während der Wind das Boot längsseits an den Steg driftet. Und am nächsten Morgen dampft er in die Vorspring ein, bis das Heck fast im rechten Winkel zum Steg steht.

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Am nächsten, dem 3. Tag, schaffen wir nur die 20 Seemeilen bis Calais. Wir sind erst gegen Mittag ausgelaufen, haben dann für den Rest des Tages kaum Gegenstrom, aber viel Gegenwind. Trotz des Kanaltunnels herrscht hier immer noch reger Fährverkehr. Das macht die Annäherung an den Hafen interessant und abwechslungsreich. Wir parken an der Boje im Vorhafen von Calais. In die Marina können wir nicht. Sie liegt bei (gezeitbedingtem) Niedrigwasser hinter einer hohen Staumauer, Drempel genannt. Das Wasser in der Marina kann bei abfließender Gezeit nur bis zur Oberkante des Drempels sinken. Bei (gezeitbedingtem) Hochwasser ist der Drempel so hoch überflutet, dass auch tiefgängige Segelboote ungehindert darüber in die Marina einlaufen und aus ihr auslaufen können. Das ist natürlich nur ein paar Stunden vor und nach Hochwasser möglich – eine der reizvollen Tücken in Gewässern mit starken Gezeiten, wie hier in der Gegend des Ärmelkanals.

Wir queren den Ärmelkanal

Am Morgen des 4. Tages unserer Reise steht uns die Überquerung des Ärmelkanals bevor. Den Großschiffen sind in Längsrichtung „Einbahnstraßen“ eingerichtet. Das heißt auf seemännisch Verkehrstrennungsgebiet. Wer ein Verkehrstrennungsgebiet quert, hat das im rechten Winkel dazu zu tun. Unser Skipper hat sich schlafen gelegt. Der Wind kommt aus Südwest. Wenn wir jetzt pflichtgemäß den Kanal im rechten Winkel überqueren, werden wir später gegen den Wind aufkreuzen oder motoren müssen, denn wir wollen an Englands Südküste. Wir haben kaum Schiffsbegegnungen. Ich bin vertieft in mein Navigationsprogramm am Wisch-Handy. Natürlich fällt mir auf, dass unser Kurs durchs Verkehrstrennungsgebiet nicht im rechten Winkel ist. Meine zwei anderen Mitsegler üben offenbar den zivilen Ungehorsam. So erreichen wir ohne aufzukreuzen, das Kap Dungeness, ordentlich südlich von Dover. Als der Skipper aufgewacht, war alles schon gemacht, von den Heinzelmännchen an Deck. Kölner müsste man sein. Natürlich hatten wir das aktive AIS abgeschaltet, damit uns die Küstenwache nicht bemerkt.

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Nun bekommen wir sehr schön die Kreidefelsen von Dover zu Gesicht.

Die Marina in Eastbourn liegt hinter einer Schleusenkammer auf permanent hohem Wasserstand. Es ist ziemlich spät geworden, bis wir dort eintreffen. Zu essen gibt es nichts mehr, als wir um 23 Uhr endlich den Bereich der Bars und Restaurants erreicht haben. Ich glaube, Erhard und Alexi haben jeder eine Runde englisches Bier ausgegeben. Ich bekomme einen Platz rechts außen zur Rechten eines Einheimischen. Er heißt Paul und hat das Talent, an meiner kontaktfreundlichsten Seite anzudocken. Im Nu bin ich in einem heiteren Gespräch mit ihm.

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Wie geht es mir mit den anderen an Bord? Verhältnismäßig oft bekomme ich Belehrungen. Wissen die alles besser? Werde ich so richtig warm? Der Erhard führt sich auf, wie wenn er mein Segellehrer wäre. Als er mir prophylaktisch erklärt, ich solle die Festmacherleine unter der Reling durchreichen, fühle ich mich verarscht. Als ich dann meine, er habe was an meinem perfekten Klampenschlag was auszusetzen, übersteigt das meine Leidensfähigkeit, ich werde streng mit ihm und tu recht grauslich. Hinterher können wir beide scherzen darüber. „Das finde ich schön von dir, dass du mir nach meinem heftigen Verweis nicht böse bist“, bekenne ich ihm erleichtert.

An Englands Südküste

Ich kann mich nur schemenhaft an viel Gegenwind, Kälte und Nässe erinnern, auf den beiden nächsten Etappen nach Brighton und Plymouth. Und auf ein ganz feines Pub, das wir dem Alexi zu verdanken haben. Er kennt sich einfach aus in den Häfen Südenglands. Wir trinken uns durch alle Biersorten durch. Für mich war das gewissermaßen eine Initiation mit englischem Bier in englischem Pub. Ich weiß nun, ein Pub ist keine verrauchte Spelunke versoffener Außenseiter der Gesellschaft, sondern ein kultivierter Ort, ein Treffpunkt der Bewohner und Besucher des Ortes.

Portsmouth haben wir natürlich auch erst im Dunkeln angesteuert. Ich habe sehr gestaunt, über die dichte Leuchtfeuerversammlung und über das Ansteuern des Skippers. Ich bin sicher, das war perfekt, denn ich habe alles miterlebt, auf meinem Wisch-Handy. Ganz still war ich dabei, denn zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon mitbekommen, dass die Mitteilung meiner Beobachtungen eher als unangenehm und entbehrlich empfunden worden wären.

Für die vorläufig letzte Etappe nach Southampton macht sich Erhard regenfest. Im Solent – so heißt jenes Gewässer hinter der Insel Wight – wird es den ganzen Tag regnen. Fähren und andere Schiffe sind mit, gegen und quer zu uns unterwegs. Immer schön am Rand des gut betonnten Fahrwassers bleiben und darauf vertrauen, dass die Engländer im Wasser doch alle rechts fahren. Worüber wir uns immer wieder wundern: In den Marinas (auch später auf den Campingplätzen erlebe ich das so) haben die Waschbecken zwei Auslassventile, eines für heiß und eines für kalt, keines für warm. In den Duschen ist das gottlob ein wenig anders: Es gibt nur einen Auslass und Wasser, dessen Temperatur ist auf lauwarm vorreguliert. Der/die Duschende kann keinen Einfluss auf die Wassertemperatur nehmen. Ich staune, dass die Menschen dieses urdemokratischen Landes sich so bevormunden lassen – und finde mich darein, zwangsweise zum Warmduscher zu werden.

Auch in Southampton, wo einst die Titanic von Stapel gelaufen ist, weiß Alexi ein schönes Pub. Ich habe Gelegenheit, mich in englischer Trinkkultur zu vertiefen. In Southampton gehen wir alle – ausgenommen der Skipper Jürgen planmäßig von Bord. Ich beginne eine 10tägige Landreise.

Im Daartmoor

Zwei meiner Freunde hatten immer vom Dartmoor geschwärmt. Daher bin ich dorthin gefahren, exakt nach Moretonhampstead. Da war gerade Sonntag. Im Kaffeehaus an der Hauptstraße gibt es natürlich Full English Breakfast. Ich nehme es feierlich zu mir. Der Gottesdienst ist schon gewesen. Lange Zeit verbringe ich allein in der anglikanischen, alten Kirche aus Stein. Einfach so. Und viel ausatmend, nach der einen Woche harten Segelns.

Im Informationsbüro berät mich eine Frau sehr teilnehmend und präsent. Natürlich folge ich ihrer Einladung, zur Nachmittags-Café-Party ins Gemeindehaus zu kommen. Da gibt es bei Kuchen und Kaffee viele fröhliche Menschen und viel Aufeinanderzugehen, freilich vorwiegend in Small-Talk-Qualität. Info-Büro und Party-Ausrichtung – das machen die alle volon­tierend. Auch im Sportzentrum, dem mein Zeltplatz angegliedert ist, arbeiten nur Freiwillige. Das macht die Menschen sehr frei, locker und heiter, finde ich.

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Vielleicht aber ist es umgekehrt: Um so viele Freiwillige zu haben, braucht es eine größere Anzahl von freien, lockeren, heiteren Menschen. Jedenfalls treffe ich diese Sorte Mensch auf meinen Wegen in Südengland sehr häufig an. Schaue ich jemanden auf der Straße neutral ins Gesicht, bekomme ich mindestens ein Lächeln, ein Nicken zurück, sehr häufig begleitet von einem „Hello“

Im Dartmoor ist das Zelten an jeder Stelle des Nationalparks gestattet. Ich lasse mein schweres Gepäck am Campingplatz beim Sportplatz zurück, kaufe mir ein Paar Gummistiefel und ziehe auf ein paar Tage und Nächte ins Moor. Der Weg ins eigentliche Moor führt über Wiesen und Weiden, vorbei an Bächen und durch Laubgehölz. Ich komme an denkmalgeschützten alten Bauernhäusern vorbei. Bloß nie an einen Sumpf – womit man ein Moor doch gerne in Verbindung bringt. Die Gummistiefel hätte ich mir sparen können. Es geht immer auf und ab. Eine richtige Hügellandschaft

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Nach ein paar Tagen zieht es mich nach Cornwall.

Hier am Treen-Farm-Zeltplatz nahe Penzance, wo die aus London kommende, in den Südwesten führende Bahn endet, ist das noch viel dichter: „Are you right“, kommt schnell mal vor, oder „How are your legs“ – nämlich gestern nach meiner 6stündigen Wanderung entlang des Küstenweges ans „Land’s End“, den westlichsten Punkt Englands.

Andere machen den Weg zwar in 3 Stunden. Ich habe aus Selbstliebe die Langsamkeit gepflegt und das Stehenbleiben. „Obwohl mir meine Knie weh tun, akzeptiere und liebe ich mich voll und ganz“, hat mir meine Energetikerin vorgesagt. „Wisdom of my Body“ nenne ich es, und genieße 6 Stunden lang das berauschend einsame Land. Um die nächste Ecke ist die Natur genau so schön wie hier. Da kann ich doch gleich hier sitzen bleiben.

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Der Weg ist das Ziel – es hat gestern jedenfalls zugetroffen. Denn am „Land’s End“ herrschen Rummel, Gastronomie, Andenkenverkauf und lächerliche Events. „Schau nur hinaus aufs Meer“, hat mir ein Freund geraten, „dann siehst du die hässlichen Pommes-Frittes-Buden nicht“.

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Ich schätze sehr die Geselligkeit, die Nähe von herzhaften Menschen und den Austausch auf allen Ebenen. Und dann bin ich wieder so gerne so allein und unabhängig. Wohin wird das noch führen? Ich bin glücklich, dass ich so allein an der Küste entlang wandere. Nach nie­mandes Tempo und Rhythmus brauche ich mich zu richten. Niemandem verlange ich mein Tempo, meinen Rhythmus ab

Der Weg an der Küste führt immer oberhalb der steilen Klippen. Es geht aber dennoch viel auf und ab. Die Flora ähnelt sehr der in unseren Alpen auf 2000 Meter, allerdings hier an der Küste gedeihen vorwiegend Heidekraut, gelbblühender Ginster und natürlich Gras. Wenn die Küste sich zu einer Bucht öffnet, gibt es den Blick frei auf überaus mächtige Wellen, wie sie hereinstürmen, Schaumkronen aufwerfen, gegen die steilen Felsen donnern oder weit den Sandstrand herauflaufen. Jede Welle ist anders! Dieses gewaltige Geschehen! Ich kann da stundenlang zuschauen, der Kopf wird leer, das Herz macht auf - - - . Und ich freu mich, dass ich das so genießen kann!

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Auch hier an der Küste machen Freiwillige Tag und Nacht Dienst: die Freiwillige Küstenwache. Der Staat hatte vor vielen Jahren seine Stationen entlang der Küste aufgelöst. Ein im Unwetter samt Besatzung umgekommenes Fischerboot hat die Gründung einer freiwilligen Coast Guard ausgelöst. So zu lesen in einer Schrift im Info-Raum des Wachturmes nahe Land’s End. Die Freiwilligen sind auch wachsam für alles, was entlang der Küste an Land, am und im Wasser sonst noch geschieht: Die Wanderwege werden gepflegt. Es gibt Infos und Verhaltensempfehlungen zur sensiblen Pflanzen- und Tierwelt.

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In Falmouth – wieder am Segelschiff

Zehn Tage später gehe ich in Falmouth an Bord der gleichen Yacht. Bis zu den Scilly’s hatte die Zeemin es nicht geschafft. Während über Europa ein Hoch das Land trocken brütet, stauen Tief um Tief über England, sodass Wind und Regen vorherrschten. Ich begegne als Bekanntem nur dem Skipper wieder. Es regnet wieder mal in Strömen, als er mir entgegenkommt am Weg zur Marina. Es gibt zwei neue Mitsegler: Arnold und Jürgen der Großschifffahrtskapitän. Wir überqueren neuerlich den Ärmelkanal, diesmal von Nord nach Süd. Hier ist der Kanal schon viel breiter. Es geht genau auf den, auf Landkarten markant erkennbaren Zipfel zu, mit dem Frankreich weit nach Westen in den Atlantik hinaus ragt. Bei Regen und unter Gegenwind sind wir nach zwei Tagen und einer Nacht an am „Land’s End“ Frankreichs. Finistère, „Ende der Welt“ heißt dieses Departement ins Deutsch übersetzt. Dann gilt es noch um diesen Zipfel herum zu segeln, um schließlich auf Ostkurs an den Eintritt eines 1 sm breiten, 3 sm langen nach Nordost gerichteten „Flaschenhalses“ zu kommen. Dahinter tut sich an Steuerbord eine große Bucht auf. An Backbord liegt Brest. Von da dauert es noch eine halbe Stunde und wir sind in der Marina.

Brest

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Das Geviert um den Hafen herum befremdet mich. Technokraten haben hier – so scheint es – ziemlich frei von Ästhetik ge-„waltet“. Ich spüre Gewalt, Krieg und Militär. Zu sehen ist die gewaltige Festung aus dem 17. Jahrhundert. Später mache ich mich sachkundig: Brest ist einer jener Häfen, jener Festungen des Atlantikwalls gewesen, die von den Deutschen am längsten gehalten worden ist. Erst nach 43 Tagen kapitulierten sie vor den Angriffen der Alliierten. Das hatte Hafen und Stadt gründlich zerstört. „Da von der historischen Bausubstanz wenig übrigblieb, macht Brest heute den Eindruck einer weitgehend gesichtslosen Planstadt mit Betonbauten.“ (Zitat aus Wikipedia).

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Hier verlässt Arnold, einer der beiden Mitsegler, das Boot. Eine Frau steigt zu. Nach Plan sollte ich 2 Wochen später auf einer den Frankreich nahen Kanalinseln aussteigen.

Finistère

Es wird eine faszinierende Fahrt durch die Gezeitengewässer vor der Bretagne. Die Tide hat hier bis zu 12 Meter. Man hat sich daran gewöhnt, die Schiffe bei Niedrigwasser einfach trocken fallen zu lassen. Das amüsiert selbst Jürgen den Skipper und Jürgen den Großschifffahrts-Kapitän

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Bevor wir durch den Flaschenhals segeln (oder motoren, was ja die Regel ist bei zielgerichtetem, zeitplanunterworfenem Segeln), warten wir in der Bucht vor dem „Flaschenhals“ bei Tomaten und Mozzarella auf jenen Zeitpunkt, in der der Strom zu unseren Gunsten gekentert haben wird. Er fällt zusammen mit dem Augenblick, zu dem der Eigentümer „unserer“ Boje, uns höflich bittet, sie nun für sein Festmachen frei zu machen.

Am Abend, es beginnt bereits zu dämmern, laufen wir in die Marina Aber Idult ein. Davor liegt eine enge Passage, zwischen Inseln hindurch. Manche schauen heraus aus dem Wasser, andere noch nicht. Es gilt nun genau die Seezeichen zu erkennen.

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Sehr sympathisch finde ich jene Männer von der Nachbaryacht, die nun unsere Leinen entgegennehmen, einem kleinen Hoppala unsererseits wortlos zusehen, uns beim neuerlichen Anlegen neuerlich behilflich sind – keine überflüssigen Kommentare, keine dümmlichen Zurufe, kein peinliches Hafenkino. Très élégante et finement.

Wenn der Strom an der Westküste von Finistère in Richtung Nord, also in unsere Fahrtrichtung kentert, strömt er an der Nordküste noch 3 Stunden länger nach Westen. Das passt ganz prima, denn etwa 3 Stunden brauchen wir, bis wir an der Nordwestecke von Finistère nach rechts abbiegen. Wir haben weitere 6 Stunden den Strom mit uns. Ich freue mich, dass mein Navi-Programm mir das so unkompliziert erkennbar anzeigt. Ich fürchte, um das Berechnen der Gezeitenströme zu lernen, müsste ich sportlichen Ehrgeiz entwickeln, denn wirklich brauchen tu ich es nicht mehr (solange mein Wischhandy genug Strom im Akku hat). Das hätte ich also durchgestanden für den Rest meines Lebens.

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Die Bretagne von Finistère bis St. Malo

Für Segelschiffe baut man zuweilen Schleusentore vor die Marinas. Man kann nur in den Stunden um Hochwasser herum einfahren. Oder es gibt eine Mauer, Drempel genannt, deren Oberkante bei Hochwasser hoch genug überflutet ist, sodass tiefgängige Segelboote sie passieren können. Bei Niedrigwasser hält der Drempel den Wasserpegel im Hafen auf seine Oberkante. Die Marina Perros Guirec, hat so einen Drempel. Wir kommen knapp nach gezeitbedingtem Torschluss an. 20 Meter vor uns beginnt die Maueroberkante aus dem Wasser heraus zu wachsen.

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Rasch verlassen wir die seichten, kurz vor dem Trockfallen stehenden Gewässer. Es geht noch ein Stückchen an der Küste entlang. In einer der nächsten Buchten finden wir eine Bucht mit Boje.

Ich bringe die Fahrt von Brest bis St. Malo nicht mehr richtig auf die Reihe. Da schickt mir Jürgen der Großschifffahrtskapitän eine rettende Mail. Ich stelle sie ans Ende meines Berichtes

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Das ist das Cap Frehel gewesen. Ein schärferes Bild war bei dem Nieselregen nicht möglich.

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In der Einfahrt zur Marina Dahoet

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Das ist kurz vor St. Malo

Das Lächeln ist mir und den Menschen auf meinem weiteren Weg geblieben. Bloß bei jener Mitseglerin, die in Brest zugestiegen ist, ist es mir ein wenig vergangen. Da hat die Chemie nicht gestimmt. Gleich am ersten Abend flog ohne Warnung meine Kabinentür zu. Das Licht habe sie geblendet, versucht sie am nächsten Morgen unaufgefordert sich zu entschuldigen. Ich nehme es als Kostprobe hin, einer unangemessen egozentrischen Beanspruchung des Platzes im weiteren Sinne. Das geht gegen meine Vorstellung vom angenehmen Zusammenleben im Team. Ich habe sie zur Strafe verbal geohrfeigt, was aber keine gute Frucht trug. Um mich damit auseinanderzusetzen, bin ich zu alt. Ich bin ja schließlich nicht als Entwicklungshelfer an Bord gekommen.

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Nach ein paar Tagen realisiere ich Plan B und steige aus. Das war in St. Malo in der Bretagne.

Auf der hohen Mauer um die alte Stadt herum promenieren gut gelaunte Menschen, viele Mütter und Väter mit Kindern. Beglückend zu sehen, wie liebevoll sie umgehen miteinander. Ich habe mich über­wältigen lassen, von dem Bild vor mir aufs Meer hinaus, vielleicht aber bin ich auch getragen worden von der Energie der vielen Menschen, die ebenso staunend, kritiklos diese Umgebung genießen. Es ist eine festliche Stimmung auf der einstigen Festung. Oder ist es das Gefühl der Freiheit nach der selbstgewählten Enge auf dem Schiff?

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Dann war da noch der Mann mit der Gitarre. Er hat so fein gespielt! Das waren keine Lieder, keine Balladen, keine spektakulären Hits. Es waren schlicht und einfach Akkordzerlegungen. Ich habe gebadet und bin geschwebt darin. Der Musikant hat gemerkt, dass ich seine Klänge sehr genieße. Auch im Gespräch kommen wir uns nahe.

Camping auf Guernsey

Nach drei Tagen buche ich die Fähre nach Guernsey. Das ist eine der Kanalinseln. Mehrmals abwechselnd haben sie in der Vergangenheit mal zu Frankreich, mal zu England gehört. Seit einigen Jahrhunderten hat hier hauptsächlich England das Sagen, wenngleich Guernsey mit der Befreiung von den Deutschen durch die Alliierten seit Ende des 2. WK ein eigener Staat geworden und später außerhalb der EU geblieben ist. Die Küste ist eine Kette von Wachtürmen und Abwehrkanonen verschiedener Epochen.

Am Campingplatz habe ich eine ganze Wiese für mich. Freundliches Personal serviert mir mein geschätztes „Full English Breakfast“. Ich wandere der Küste entlang. An einem Regentag trinke ich mit Guernseyern englisches Bier im Pub und spiele Billard. „Did you enjoy the game?”, fragt mich mein Partner. „Yes, I did“. Wir waren ziemlich gleich stark drauf. Das freut das Kind im Manne.

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Die Insel erlebe ich als sanft durchurbanisiert. Und wie zuvor schon in Westengland erlebt: Alles ist eingezäunt, meist mit dichten Hecken oder mit hohen Steinmauern eingefriedet. Es fällt auf, dass viele Straßen- und Flurnamen französisch sind. Die französische Vergangenheit ist allgegenwärtig. Mir scheint, dass den Bewohnern der Insel die französische Vergangenheit gegenwärtig ist und diese, als Bestandteil ihrer eigenen Identität bewusst pflegen. Identitätstiftend ist sicher auch die erfolgreiche Einführung der eigenen Währung vor 200 Jahren gewesen. Auch heute gibt es das Guernsey-Pfund, wenngleich die Note äußerlich dem Englischen Pfund zum Verwechseln ähnlich und 1:1 mit ihm paritätisch ist.

Guernsey und ein paar kleinere Inseln sind, wie Jersey auch, Kronbesitz, also direkt der britischen Krone unterstellt. Ich vermute, dass die direkte Eingliederung in das Vereinigte Königreich der Empfindung der Menschen, wohin sie gehören, nicht gut entsprochen hätte.

Ein letztes Lächeln

Dann bin ich mit dem Zug heimwärts gereist. Am Ostbahnhof in Paris hat mich jemand so deutlich ums Ohr gehauen, dass ich es gemerkt habe: Ich versuche gerade, mich am Fahrkartenautomaten für die Metro zu orientieren. Da ist auch schon ein hilfreicher junger Mann zur Stelle und navigiert für mich. Nein, die Münzannahme funktioniere nicht, bedeutet er mir. Ich lasse eine 20er im Schlitz verschwinden. Schon reicht mir der hilfreiche Mann das Ticket. Auch fürs Wechselgeld wird er tätig und streckt er seine Hand in die Grube, wo das alles hineinklimpert und -flattert. Die Münzen gibt er mir. Da fehlt ja noch der Zehner. Nein, nichts gekommen, beteuert er. Hätte ich ihm jetzt eine hinter die Löffel gegeben, wie ich das in jungen Jahren vermutlich getan hätte, wäre ich fahrplanmäßig wohl nicht bis Linz gekommen. Reingefallen – na und? Die Weisheit des Alters erspart mir die Erfahrung, das Innere eines Pariser Polizeigefängnisses kennen zu lernen.

Am Gare de l‘Este gibt es ein öffentliches Klavier. Ein Langhaariger empfängt mich mit einem meiner Lieblingsstücke, dem „Conquest Of Paradise“ von Vangelis.

https://www.youtube.com/watch?v=sqLYBvCESGU

Im Zug von Salzburg nach Linz lerne ich den Jeremia kennen. Er kann vor Müdigkeit die Augen nicht mehr richtig offen halten, schlafen kann er auch nicht, weil ja so viel los ist. Und so quengelt der Anderthalbjährige herum, abwechselnd im Kinderwagen, auf Omas Schoß und an der Hand der Mutter. Als er mich sieht, lächeln wir uns zu. Wir beginnen uns füreinander zu interessieren. „Der von Gott erhöhte“ heißt sein hebräischer Name auf Deutsch, lese ich ihm und seinen Aufseherinnen aus Wikipedia vor.

Die Zeit vergeht im Flug. Zeitig begebe ich mich mit Sack und Pack zum Ausgang. Nach ein paar Minuten kommt die Mutter nach. Den Kinderwagen schiebt sie vor sich her. Sie deutet hinein und lächelt: Der Jeremia ist jetzt eingeschlafen.

Text: Volkmar Baurecker, Oktober 2015

© Copyright

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Dank
für die Mitarbeit an diesem Bericht

Ich danke herzlich unserem Skipper Jürgen Hardt für seine kritische Betrachtung meines Berichtes in dessen Entwurfsstadium. Besonders wertvoll befand ich seine Aufklärung über den „Drempel“.

Dem Großschifffahrtskapitän danke ich für seinen Text, mit dem er meine Erinnerungslücken gefüllt hat, und für noch ein paar kleine Hinweise.

Danke an Eberhard – für die Nennung der Schiffsdaten, die ich vergessen hatte zu notieren.

Ich möchte meinen Fans nicht vorbehalten, was der Großschifffahrtskapitän schreibt, wie er die Fahrt von Brest nach St. Malo erlebt und an welche Fakten er sich erinnert. Ich lasse auch die Links zu Google Maps drin stehen, weil es den Lesern das Nachreisen erleichtert.

Das ist die oben angekündigte Mail:

Freitag, 07. August: nachmittags Ankunft in Brest. Ein nettes Mädchen weist uns den Liegeplatz und versorgt uns auf Spanisch und Englisch mit den ersten Informationen. Leider lassen wir uns nicht über das (Nacht-)leben in Brest aufklären. Abends gehen wir zum Bahnhof, da Arnold noch eine Fahrkarte für die Heimfahrt am nächsten Morgen benötigt und sich mit der Örtlichkeit vertraut machen will. Im Gegensatz zu allen anderen Großstädten dieser Welt ist aber um diesen Bahnhof kein Leben, nur Tristesse. Wir irren weiter in der Innenstadt umher, und trotz aller Vermutungen und Erwartungen bleibt es ruhig. Wir landen schließlich in einem guten Restaurant mit vielen bretonischen Spezialitäten.

Hier stellt der Skipper seine Ernährung vollständig auf Muscheln um. Auch auf dem Heimweg findet sich keine Kneipe für einen Absacker, so beschließen wir den Abend in einem Irish Pub direkt an der Marina.

Samstag, 8. August: da am heutigen Tag Crewwechsel stattfindet, segeln wir nicht und genießen einen Hafentag. Glücklicherweise war dies auch der schönste Tag (blauer Himmel) der gesamten Reise. Hier lernen wir wie schwer es ist, sich einen sechsstelligen Code für die Eingangstür zur Marina zu merken. Erleichtert nehmen wir zur Kenntnis, dass es allen anderen auch so geht.

Nachdem wir nun erfahren haben, dass sich abends das Leben hauptsächlich im Hafen abspielt bleiben wir hier. Abends genießen wir zunächst einen Pastis als Aperitif um anschließend bei einem Mexikaner! alle! Muscheln zu essen.

Sonntag, 09. August: Wir verlassen gegen späten Vormittag die Marina in Brest, zunächst ist der Weg das Ziel. Nachmittags machen wir eine Pause in der Bucht von Bertheaume und warten bis uns der Strom gewogen ist. Die anschließende Umrundung des Kap Saint Mathieu ist aufregend, da es dort viele Untiefen gibt. Abends fahren wir dann in die Mündung des Aber Ildut und machen in dem Örtchen Lanildut an einem Schwimmsteg fest.https://goo.gl/maps/sLLzD4yPf1H2 . Da es mittlerweile dunkel geworden ist verzichten wir auf ein Erkunden der Gemeinde.

Montag, 10. August: Wir warten morgens pflichtbewusst bis der Hafenmeister per Boot vorbeikommt und die Liegegebühren eintreiben konnte. Dafür erleben wir noch, wie ein hochbetagtes Ehepaar in aller größter Seelenruhe gemeinsam ein kleines Beiboot die steile Böschung herunter zieht. Dafür sind diese kleinen Beiboote hier extra mit Rädern am Heck, vergleichbar wie bei einem Trolley, ausgestattet. Vom Ufer wird dann wriggender Weise ein kleines Fischerboot, welches an einer Mooringboje festgemacht ist, erreicht, um anschließend auf Fischfang zu gehen.

Gegen Mittag erreichen wir dann den nordwestlichsten Punkt der Bretagne und segeln von nun an ostwärts. Als Höhepunkt dieser Etappe segeln wir nachmittags zwischen der Insel Ile de Batz und dem Festland in die Marina von Roscoff. Im Segelhandbuch wird diese Route nur erfahrenen Seglern empfohlen, weshalb wir vorher die Segel bergen und motoren. Die Marina in Roscoff war die größte während unserer Reise, sehr gepflegt aber auch ein wenig unpersönlich. In Roscoff hat uns dann das Wischtelefon im Stich gelassen: Die Öffnungszeiten des einzigen in Nähe gelegenen Supermarktes wird bis 19:00 Uhr ausgewiesen. Nach einer guten halben Stunde Fußmarsch müssen wir aber feststellen, dass er schon um viertel nach sechs schließt. Unverrichteter Dinge ziehen wir in die Altstadt. Roscoff ist ein sehr touristischer Ort, weshalb wir eine große Anzahl Restaurants vorfinden. Wir haben die Qual der Wahl und studieren Speisekarten einer Vielzahl von Restaurants. Als wir uns auf ein kleines gemütliches R estaurant geeinigt haben, belegt eine weniger zögerliche Familie den letzten Tisch. Nun entscheiden wir uns für ein sehr gut besuchtes Hotelrestaurant. Nach kurzer Wartezeit mit einem Pastis an der Hotelbar erhalten wir schließlich einen schönen Tisch mit Blick aufs Meer. Leider hat das Essen nicht so sehr überzeugen können.

Dienstag, 11. August: Morgens holen wir den Einkauf nach. Entsprechend spät verlassen wir nun Roscoff. Im Laufe des Tages entscheiden wir uns die Marina in Perros Guirec einzulaufen. https://goo.gl/maps/seaF8XUSNCq  Als wir ankommen, ist die Mauer um die Marina noch überflutet und nicht sichtbar. Die Schleuse ist allerdings bereits geschlossen. Wir hegen noch Hoffnung, in die Marina hinein zu kommen. Unsere Anrufe über UKW beim Hafenmeister bleiben allerdings unbeantwortet. Der Skipper geht an Land, trifft aber auch niemanden mehr an. Mittlerweile wird bei ablaufendem Wasser auch die Mauer sichtbar und wir suchen schnell das Weite. Ein Plan B muss her: Eine in der Nähe liegende Reede ist ungeschützt und scheidet aufgrund von Wind und Seegang aus. Zunächst planen wir nach Tréguier zu fahren. Das wäre aber mit einer gut einstündigen Revierfahrt auf dem Fluss Jaudy verbunden und wir kämen erst im Dunkeln an. Da entdecken wir auf halbem Wege den Hafen Port Blanc der Gemeinde Penvénan. https://goo.gl/maps/R1YUHq63vcK2 Laut Führer ist dieser Hafen bei nördlichen Winden nicht empfehlenswert. Wir probieren es aber trotzdem. Nach kurzem Suchen finden wir eine unbelegte "Visiteur"-Boje an der wir festmachen und eine sehr angenehme und ruhige Nacht verbringen. So gesehen war es ein glücklicher Umstand, dass wir zu spät in Perros Guirec ankamen, denn die Marina hätten wir tidenbedingt am nächsten Morgen bereits vor dem Aufstehen bis um 05:00 Uhr verlassen müssen.

Mittwoch, 12. August: Heute wollen wir es besser machen: Wir müssen es unbedingt bis Dahoët schaffen, denn im näheren Umkreis gibt es keine vernünftigen Alternativen. Wir fahren früh los und müssen es hinnehmen, dass der Strom zunächst gegen uns setzt. Der Leuchtturm Phare des Héaux de Bréhat https://de.wikipedia.org/wiki/Phare_des_H%C3%A9aux_de_Br%C3%A9 hat kommt nur quälend langsam näher. Als wir ihn endlich erreichen, kentert der Strom. Ab nun geht es deutlich zügiger. Wir erreichten Dahoët rechtzeitig am Nachmittag. Die Zufahrt ist spektakulär, weil sehr eng. Die Marina hat zwar keine Schleuse, aber das Süll hat eine Höhe von gut 5 Metern, sodass wir einen Wasserstand von etwa 7 m brauchen, um sicher einlaufen zu können. Am Abend gibt es in einem sehr netten kleinen Lokal https://goo.gl/maps/uKSAj8jsmo12 wieder Muscheln. Als wir es gegen 23 Uhr verlassen ist Niedrigwasser. Die Einfahrt hat sich sehr verändert. Sie ist komplett trocken gefallen. Nur noch ein kleines Rinnsal fließt in Richtung Meer.

Donnerstag, 13. August: Unsere letzte Etappe bis nach St. Malo  steht bevor. Es ist eine relativ kurze Etappe und wir haben viel Zeit, weil wir in St. Malo auch erst mit dem abendlichen Hochwasser einlaufen können. Zunächst ist es fast völlig windstill. So still, dass selbst eine Gruppe hochgezüchteter Rennjollen sich von einem Motorboot wieder in deren Hafen schleppen lässt. Der Himmel verdunkelt sich bedrohlich, aber es kommt wenigstens ein wenig Wind auf. Wir nutzen ihn sogleich. Nach einem ergiebigen Schauer dreht der Wind um 90 Grad und schläft langsam wieder ein. Wir haben noch reichlich Zeit und lassen uns treiben. Auch wenn das Wetter nicht wirklich dazu einlädt springen wir ins Wasser, eigentlich nur um es mal gemacht zu haben. Es gehört ja zu einem sommerlichen Segeltörn dazu im Meer zu baden. Anschließend laufen wir gemütlich bis zur großen Schleuse in St. Malo, die wir uns mit der Berufsschifffahrt teilen. Es wartet schon ein halbes Dutzend Jachten auf die Öffnung der Schleuse. Nachdem Ausschleusen waren es nur noch wenige hundert Meter bis zur Marina direkt an der alten Stadtmauer von St. Malo. Am Abend gab es ein letztes Mal Muscheln.

Freitag, 14. August: Es regnet den ganzen Tag Hunde und Katzen, noch dazu stürmt es. So gesehen ist es wieder ein glücklicher Umstand, schon am Donnerstag St. Malo erreichen zu müssen, denn dieser Tag auf See wäre äußerst ungemütlich geworden.

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