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Fidschi - Neuseeland
vom 25. Oktober bis 1. November 2010


Segeln um die Welt - Fidschi-Neuseeland


Leinen los in Suva

Wir segeln in den Abend hinein. Die weit im Süden vorgelagerten Kadavu Inseln passieren wir gegen Mitternacht im Westen. Wir machen wieder 3 Stunden Wache, dann 3 Stunden Pause.

Wir sind von Beginn an hart am starken Wind und gegen raue See gesegelt. Die Wellen schlagen hart gegen den luvseitigen Bug. Der leeseitige Bug weiß nichts davon. Er stemmt sich dagegen. Wenn der leeseitige Rumpf von der gleichen Welle erfasst wird, weiß der luvseitige nichts mehr davon. Nun stemmt der sich dagegen. Immer hart unter die Brücke knallen alle Wellen, die höher als einen halben Meter sind. Das lässt den Katamaran erzittern. Es poltert, dröhnt und knallt mit wenigen Zwischenphasen relativer Ruhe. Die Brücke ist jener vom Wasser etwa einen halben Meter abgehobener Mittelteil, der die beiden Rümpfe des Schiffes verbindet. Auf der Brücke aufgebaut ist der geräumige Salon.

In den ersten drei Tagen habe ich - außerhalb meiner Wachen – stets ziemlich erschöpft geschlafen. Ich muss gestehen, ich war auch ein wenig seekrank. Drei Tage lang haben meine drei Gleichgewichtsorgane – die 3 Bögen im Ohr, die Augen und die Muskeln – dem Gehirn unterschiedliche Wahrnehmungen abgeliefert. Das interpretiert eine Unterabteilung des Immunsystems als Vergiftung, und der Mensch erbricht. Nach drei Tagen hat sich das kalibriert. Der Magen merkt, dass ich gar nicht vergiftet bin und beginnt wieder nach unten zu verdauen.

Da kann ich mich wieder aufs Frühstück freuen.

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Die fliegenden Fische finden wir immer wieder mal an Deck. Mit ihren Flügelflossen entschwinden sie den Blicken der Raubfische. In Scharen fliegen sie zig Meter über der Wasseoberfläche dahin. Manche der fliegenden Fische entgehen zwar ihren Verfolgern, landen aber stattdessen in den Bratpfannen der Menschen.


Auch auf der „Two Oceans“: Baden im eigenen Adrenalin

Wie ich vor 20 Jahren mit dem Gert die Balearen umrundet habe, mussten wir immer aufs Vorschiff, um das Vorsegel zu bergen, oder es gegen ein kleineres auszutauschen. Bald darauf habe ich die ersten Roll-Vorsegel gesehen. Sie haben sich auf Fahrten- und Charteryachten sehr rasch durchgesetzt. Der aerodynamische Nachteil, dass ein Rollsegel keinen bauchigen Schnitt haben kann, wird von Vorteilen überragt: Bergen und reffen kann vom Cockpit aus von einer Person gemacht werden. Man muss nicht mehr auf den Bug. Es kann stufenlos gerefft werden.

Bald darauf sind die ersten Masten aufgetaucht, in die man das Großsegel rollen kann. Auf Charteryachten im Mittelmeer sind sie die Regel, denn auch hier ist die Bedienung einfach und vom Cockpit aus zu machen. Es kann allerdings keine der horizontalen Latten mehr geben, die dem Großsegel einen Bauch verleihen und ihm eine Form erlauben, die die Fläche im oberen Bereich des Segels vergrößert. Das Rollgroß hingegen muss streng dreieckig geschnitten sein.

Die „Two Oceans“ hat ein klassisches Lattengroß:

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Auf den Bildern mit der „Two Oceans“ kann man deutlich die Latten im Tuch des Großsegels erkennen, sowie den nach hinten gewölbten Schnitt der Rückkante. Am unteren Ende des Segels, also am Baum erkennt man ein dunkelblaues Tuch. Es ist das/der Lazy Bag. Da hinein fällt das Großsegel, wenn man das Fall (Leine, mit der das Segel an seiner oberen Spitze gehalten wird) fiert (kontrolliert loslässt). Will man das Segel nicht gänzlich bergen sondern bloß reffen, dann fiert man das Fall nicht gänzlich, sondern nur bis ins 1., 2. oder 3. Reff. Für jedes der Reffe gibt es am Großsegel ein Ösenpaar, jedes Paar in einer anderen Höhe, je eine Öse nahe der vorderen und eine nahe der hinteren Kante des Segels. Durch diese Ösen sind die Reffleinen herunter in den Baum geführt. Von hier werden sie über einige Umlenkrollen an den Mast und allenfalls auch ins Cockpit geführt. Will man zum Beispiel ins 1. Reff gehen, fiert man das Fall, zugleich zieht man das dazugehörende Leinenpaar durch bis die Ösen am Baum anliegen. Zuletzt wird das Fall wieder durchgesetzt.

Ich weiß nicht, ob meine Beschreibung der Situation und des Ablaufes klar erkennen lässt, was da läuft, bzw. laufen sollte. In der Praxis jedenfalls gibt es beim Ablauf ganz schnell mal Probleme. Meist ist es eine der vielen Leinen, die sich irgendwie um eine andere schlingt oder um den Baum. Manchmal klemmt bloß eine Rolle. Oder die Situation ist von Anfang an ein wenig verfahren, weil Leinen, die links hoch- und rechts herunterführen sollen, andersrum geführt sind.

Was auch immer es gewesen sein mag – Miki muss raus und hinauf zum Baum. Das Lazy Bag gibt ihm guten Halt. Die Fotos können nicht die Bewegungen des Schiffes wiedergeben. Bloß Mikis Mimik und Körperhaltung zeigt was von seiner Mühe, die ihm ein Bad im eigenen Adrenalin schenkt.

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Alles im grünen Bereich

gebe ich Miki, meinem Kapitän von Fidschi nach Neuseeland, gerne zur Antwort, wenn er mich von meiner Wache ablöst und fragt, was es Besonderes gäbe. Weil ihm dieser Satz so gut gefallen hat, habe ich ihn auf einen langen Papierstreifen geschrieben und diesen unter die Instrumententafel am Navigationstisch gehängt.

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Miki applaudiert, als er das sieht.

Drei Tage später entfernt Miki das Papier wieder. Er find, dass dieser Satz jetzt nicht mehr der Realität entspräche: Die kleine Winsch am Heck blockiert, die Antenne für das GPS ist über Bord gegangen, das auf der Heckplattform festgemachte Schlauchboot hat sich abgeseilt und war am besten Wege, sich davon zu schleichen. Miki nimmt das Hand-GPS zur Hand. Es hat eine eingebaute Antenne. Nach längerem gutem Zureden nimmt es den Betrieb auf. Sogar die Verbindung zum Laptop mit der elektronischen Seekarte funktioniert plötzlich wieder – leider nur ein paar Minuten lang. Das Verbindungskabel scheint einen Wackelkontakt zu haben. Von nun an lesen wir die Schiffs-Position zahlenmäßig am Hand-GPS ab und können so unseren Standort in die elektronische Karte mit dem Maus-Curser von Hand übertragen.

Das Trampolin auf der Backbordseite beginnt sich aufzulösen.

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Wir können diesem Prozess nur tatenlos zusehen. Denn das Trampolin befindet sich ja ganz vorne, wo bei jeder größeren Welle eine Springflut übers Vorschiff kommt. Der starke Wind aus Ost bis Südost – am Schiff erscheint er mit 26 bis 32 Knoten – zwingt uns zum Segeln hart am Wind. Wir reffen ständig zwischen 2. und 3. Reff hin und her. Ab 35 Knoten müssen wir immer die Großschot öffnen, denn das nimmt Druck aus dem Großsegel. Die Arbeit im Cockpit ist ständig bedroht von einer kräftigen Dusche, die über das ganze Vorschiff und seitlich über uns hereinbricht.

Nachdem Miki die Herausforderung an das Schicksal, den Spruch „Alles im grünen Bereich“, von der Instrumententafel über dem Navi-Tisch abgenommen hat, bessert sich die Situation zusehends.


Es wird kühler

Ich schlafe längst nicht mehr völlig bloß. Anfangs kam das dünne Leintuch über mich. Nun braucht es auch noch die Decke, um mich nach 3 Stunden des Wachens im kühlen Salon und im windig-nassen Cockpit wieder auf Temperatur zu bringen.

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Auf der ganzen Strecke begleiten uns Seevögel. Sie scheinen keinen Schlaf zu brauchen. Es sind nicht diese tauchenden Vögel. Ich sehe sie auch nie schwimmen. Sie segeln immer, kaum mal ein Flügelschlag.

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Das ist ein Vogel aus der Art der Albatrosse. Sie sind in der Lage, ihre Flügel in Segelstellung zu fixieren. Damit sparen sie Muskelkraft. Es gibt Arten, die wandern im Laufe eines Jahres rund um die Antarktis. Sie landen auf ihr, im Süden von Südamerika und Inseln der südlichen Hemisphäre, wie Neuseeland.

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Am Morgen des Sonntags, 31.Oktober 2010, haben wir den Wegepunkt am Eintritt in die „Bay of Island“ bei 35°10’S und 174°10’ W um 6 Seemeilen nordöstlich verfehlt. Dies deshalb, weil in Küstennähe der Wind nach Südost gedreht hatte. Wir fahren nun unter Motor an bis zum Eintritt in die Bay of Islands.

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Von hier sind es noch 10 Seemeilen bis zur Marina. Wir machen zunächst am Quarantäne-Steg fest.

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Zwei Stunden später haben wir die Einreiseformalitäten hinter uns gebracht. Wir verholen uns in die Marina dürfen an Land gehen. Ich setze um 14:30 erstmals in meinem Leben den Fuß auf neuseeländischen Boden.

In den nächsten Stunden wird mein Körper von einem seltsamen Glücksgefühl erfasst. Ich fühle mich so wohl darin, dass ich um 3 Uhr morgens erwache und nicht mehr einschlafe. Ich lasse das Gefühl, wachsen. Ich genieße es. Zwei Jahre lang habe ich dem Zufall viel Chance gegeben, mich dort hinzuführen, wo es ihm beliebte. Auf meiner Reise um die Welt hat es mich zuweilen gestört, dass ich ein Zwischenziel habe, nämlich Neuseeland. Ich empfand es als Stilbruch auf einer Reise in die Welt. Es hat mir was genommen von der Qualität des Ziel- und Absichtslosen. Und nun bin ich überrascht, denn ich fühle so was wie ein Heimkommen, ein Angekommensein bei einem Ziel – und es fühlt sich wunderbar an.


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