Wir queren den Atlantik                  / Teil 2

Begegnungen mit anderen Fahrzeugen, Tieren und Naturereignissen

Ein Frachter zielt mit dem Bug auf uns

Großschiffe haben wir vier oder fünf gesichtet. In einer der ersten Nächte sehe ich achtern ein Licht. Erst nur weiß, dann auch grün. Aha, er hat sich genähert und zeigt uns die Steuerbordseite! Dann sehe ich grün und rot. Aha, jetzt zeigt er uns den Bug. Das hält längere Zeit an. Es macht mich erst stutzig, dann unruhig. Zuletzt wecke den Arnd. Das AIS funktioniert zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Arnd schaltet das Radar ein. Wie ich dann das grüne Licht doch verschwinden sehe, gibt auch er Entwarnung. Über UKW Kanal 16 funkt er den Frachter an, bedankt sich fürs Ausweichen und wünscht gute Fahrt. Segler haben auch großen Frachtern gegenüber „Vorrang“, sind im Radar des Großschiffes aber nicht gut zu erkennen.

In New York soll mal ein Frachter angekommen sein mit dem bis dahin unbemerkt gewesenen Rigg eines Segelbootes am Bug. Von der Besatzung keine Spur. Meine Reise hat zwar etappenweise keine Ziele, doch diese für diese finale Destination ist es mir noch zu früh. Ich lebe gerne noch ein wenig im Diesseits. Es ist nämlich hier auch recht schön.

 

Kein Bier für andere Segler

Eines Nachts überholt uns ein Segler. Schon bei meinem Wachantritt habe ich das weiße Licht immer wieder mal auftauchen sehen, achterlich, über der Kimm. Gegen Ende von Arnds Wache ist der auf unserer Höhe und hat sich uns auf 100 m angenähert. Es ist noch dunkel um 0700 UTC auf 20°W. An Bord fuchtelt einer mit einer Lampe. Der will uns was sagen. Was er will ist dem Arnd unklar. Auf Funk reagiert der andere nicht. Hat er wohl nicht, erbost sich Arnd. Zur Sicherheit startet Arnd den Dieselmotor, um diesem unmöglichen Segler nicht mit einem Manöver des letzten Augenblickes ausweichen zu müssen. Oder hält Arnd den anderen für einen Piraten? Arnd ist noch sehr aus dem Häuschen, als ich ihn ablöse. Meine Deutung war, dass dem vielleicht das Bier ausgegangen war und er versucht habe, sich mit uns darüber zu besprechen. Was ihm freilich nichts geholfen hätte. Denn wir waren alkoholfrei unterwegs.

Delfine

Noch im Bereich der Kap Verden segelnd beobachten wir zweimal den Besuch von Delfinschwärmen. Das ist immer wieder berührend, mit welcher Ästhetik diese Tiere paarweise mit ihren Rücken und der Flosse darauf aus dem Wasser auftauchen, mit dem einzigen Nasenloch einen Schnaufer machen und wieder abtauchen. Faszination auf die Delfine übt offenbar immer der Bug aus. Vor dem kreuzen sie ganz knapp hin und her, wie wenn sie eine Zirkusvorstellung gäben.

Delfine werden gerne mit Herzensqualität und Liebe in Verbindung gebracht. Das erinnert mich an eine Fahrt in Kroatien, wo sich alles sehr geliebt hat an Bord. Hat das die Delfine angezogen! An die 40 Minuten haben sie uns umkreist, sind paarweise hochgekommen, immer wieder um den Bug herum. Hier auf der Narwal mit uns zwei trockenen Männern an Bord, deren Liebesfähigkeit in die ferne Heimat gerichtet ist, reicht es immerhin für 2 x 6 Minuten.

Der Wal bläst!

Arnd hat ihn als erster wahrgenommen. „Da, ein Wal!“. Mehrere male taucht er auf und bleibt auf unserer Höhe. Er scheint zu prüfen, ob wir etwa auch ein Wal seien oder eine Walin. Oder er schwimmt zum Spaß ein wenig an unserer Seite. Von weiteren Annäherungsversuchen hat er freundlicherweise Abstand genommen. Das soll ja nicht ungefährlich sein (für Segelboote). Arnd hat Zeit, seine Kamera zu holen. Es ist ein Entenwal, stellt er später mit Hilfe der Bordbibliothek fest. Von der Mentalität her ein recht ernster Geselle, jedenfalls gemessen an den Delfinen.

               

  

 

Die Möwe von Kap Verde bis Martinique und andere Vögel

Zuerst haben wir uns nicht viel gedacht dabei. Die Kap Verden sind zwar längst außer Sichtweite. Die Möwe wird hier heraußen wohl die Fischerboote absuchen und bei der Gelegenheit schaut sie auch bei Seglern vorbei, ob was abfällt. Außer ein paar fliegenden Fischen, die es nachts aufs Deck verschlagen hat und dort verendet sind, haben wir unserer Möwe nichts zu bieten. Meist kommt sie am Morgen. Ab dem 10. Tag ist uns klar - die fliegt über den Atlantik! Und so ist es auch gewesen. Ich vermute, dass sie auch andere Schiffe anfliegt.

Ein ganz kleiner, meisenähnlicher Vogel ist auch immer wieder mal da.

Der Vogel in diesem Bild hat einen Schwanz, dessen Dicke nach einem kurzen Stück stufenartig sich verjüngend in einen ganz dünnen und langen Schweif endet. Eine Möwe, selbst eine verstümmelte, scheint er/sie mir nicht zu sein.

In der letzten Nacht, es mag gerade Mitternacht sein, der klein gewordene Mond ist noch nicht aufgegangen, lässt sich ein schwarzer Vogel am Heckkorb nieder - kaum zu unterscheiden von der schwarzen Luft. Das Einschalten meiner Stirnlampe verscheucht ihn nicht. Nach mehreren Sitzversuchen an verschiedenen anderen Stellen des Bootes fliegt er schließlich auf mich zu und krächzt mich bedrohlich an. Weil ich darauf gar nicht reagiere, denn ich habe alle Hände voll zu rudern, entscheidet er sich zum stundenlangen Mitfahren. Er muss ziemlich fertig gewesen sein. Ich habe mich recht gefreut, ob des nächtlichen Fahrgastes. Im Morgengrauen hat er sich wieder auf die Flügel gemacht und war weg. Foto gibt es keines von ihm. War er doch genau so schwarz wie die mondlose, wolkenverhangene Nacht. Die Geschichte ist trotzdem wahr. Ein Foto hätte so ausgesehen:

 

Fliegende Fische

Die fliegenden Fische sieht man meist in Schwärmen fliegen. Plötzlich ein Flimmern und Glitzern überm Wasser. Nach ein paar Sekunden ist es wieder vorbei. Ich weiß nicht, was das Fliegen für diese Fische für einen Vorteil bringt. Ich vermute mal, dass sie damit einem Raubfisch entschwinden können. Die Fische fliegen geschätzt 30 cm hoch und 10 bis 30 m weit. Eigentlich zu niedrig, um aufs Deck zu kommen. Bloß wenn das Boot stark krängt, dann passiert es, dass eines der Tiere auf Deck landet – vom Regen in die Traufe gekommen.

Er ist dann zwar immer noch ein Fliegender Fisch, wenn man ihn mit großem F schreibt, obgleich er nicht mehr fliegt. Ein so genannter nichtfliegender Fliegender Fisch, denn ein toter Fisch fliegt nicht, auch wenn er ein Fliegender Fisch ist (frei nach Karl Valentin).

 

Ein Goldbarsch

Er ist uns nicht aufs Deck geflogen. Den mussten wir heraufholen, und er hat sich sehr gewehrt dagegen. Er war offensichtlich nicht froh darüber, in einer Bratpfanne seine Bestimmung zu erfüllen.

Arnd hat eine lange Nylonschnur. An deren Ende ist ein einziger kräftiger Haken. Daran steckt er einen Tintenfisch, einen wieder-verwertbaren, denn er ist aus Gummi. Etwa 1 m vor dem Haken kommt ein Gewicht an die Schnur dran, so geschätzte 700 Gramm schwer. Dann legt er 30 m von der Schnur aus und sich selber schlafen.

Es kommet also so bequem,
wie zu Köln am Rheine ehedem:
Schon angebissen hat der Barsch,
als Arnd erhoben seinen Arsch.

Arnd zieht in aller Langsamkeit die Leine ein. Der Fisch sollte müde werden, damit er nicht mehr so um sich schlägt an Deck. Endlich haben wir ihn heroben. Und wie der schlägt! Es muss sein, sage ich zum Fisch und zu mir und schlage ihm viele male mit dem Gummihammer auf den Kopf. Arnd mit dem Eisenhammer macht ihm den Garaus. Eine blutige Angelegenheit ist das. Uns ist nicht recht gut dabei. Auch wenn wir uns einig sind: Wenn du Tiere isst, musst du sie auch töten können. Dieses blutige Handwerk anderen machen lassen und die eigen Hände in Unschuld waschen, so soll es nicht sein.

Der Fisch zu unseren Füßen, eigentlich längst tot, zuckt immer wieder mal. Wie gerne hätte er noch gelebt! Wir werden beide etwas still. Wir haben das gleiche mit ihm vor, was er, als er noch gelebt hat, immer schon tat: Fische fressen. Wäre er kein Raubfisch, sondern ein Hering, dann würden wir sagen: Ob dich ein Barsch frisst, oder ein Mensch, das ist für dich doch völlig egal, tot ist tot.

Arnd filetiert den Fisch, das heißt, er trennt mit dem ganz scharfen Messer die beiden Seiten ab von der Wirbelsäule. Auch die Haut samt Schuppen trennt er ab. Es entstehen gewogene 1,2 kg Filet. Das gibt 2 Hauptmahlzeiten und ein Frühstück. Die Möwe lässt sich gerade nicht blicken, als wir das für uns Ungenießbare des Fisches über Bord geben.

Jetzt sieht das Erjagte nicht mehr aus wie ein Fisch, sondern wie Handelsware. Das macht uns das Leben wieder leichter. Jagdglück holt uns aus der leichten Depression. Eine ungewöhnliche Andacht beim Verzehr ist geblieben. Meine Hände wasche ich nicht gerade in Unschuld, wohl aber in ein wenig Demut.

Ein zweites mal fischen wir nicht mehr. Wir haben doch genug an Bord zum Essen: Thunfisch in Konserven, Rindfleisch aus der Dose und irgendwo gibt’s vielleicht noch Putenstreifen. Alles gute – Handelsware!

 

Kakerlaken und Stubenfliegen

An eine einzige Kakerlake erinnere mich. Sie hatte sich in einem Einkaufskarton versteckt und war schon tot. Immerhin droht aus toten Kakerlaken deren Vorrat an Eiern auszutreten. Die Angst davor war latent vorhanden – doch wir sind ohne Kakerlaken gesehen zu haben in Martinique eingetroffen.

„Ich hasse Stubenfliegen“, wird Arnd hektisch, als er deren einer ansichtig wird. Immer wieder geben diese Tiere dem Arnd Anlass zur Erregung. Das entlastet mich ein wenig. Ich vermute, Arnd gehört zu jenen Menschen, die manchmal, wenn es keinen Anlass zum Ärgern gibt, sich einen suchen – wie menschlich! Und da bin ich schon sehr froh über die Stubenfliegen.

Mäuse und Ratten

Von diesen Nagern hatten wir werde real welche an Bord, noch die Gefahr, sie an Bord zu bekommen real im Kopf. Somit konnten wir wegen uns nichtverlassender Mäuse keine Rückschlüsse auf das weitere Schicksal der Narwal ziehen.

Ich glaube, das war früher mal so, als die Schiffe noch aus appetitlichem Holz gewesen sind, in den Bilgen verfaultes Wasser geronnen ist und es viele unerreichbare Ecken gegeben hat. Die Narwal ist ein Stahtlschiff. Hier ist es oberstes Gebot, die Bilge trocken zu halten, um Rost auch ansatzweise zu vermeiden. Die unerreichbaren Ecken allein dürften den Mäusen und Ratten doch nicht attraktiv genug gewesen sein.

Was die Prognose auf das weitere Schicksal betrifft: Auch hier gibt der tadellose Stahlrumpf Anlass zu positivster Bewertung. Er ist immer stärker als einer von diesen Yoghurt-Bechern. (Das ist die abwertende Bezeichnung von Stahl- und Holzschiffeignern für Schiffe mit Kunststoffrumpf.) Dann die Top-Elektronik an Bord, samt dem Eigner, der das alles im Griff hat. Die kleinen Kinder an Bord und die Ehefrau – das alles macht Männer umsichtig und fürsorglich. Vorbei die Zeit von Sturm und Drang. Jede Maus würde gerne an Bord bleiben, dessen bin ich so sicher, wie auch ich es in jedem Augenblick gewesen bin, während der Fahrt auf der Narwal.

Flugzeuge und andere Flugobjekte

Flugzeuge bei mir daheim am Festland gehören zum normalen Himmelsbild. Der Himmel ist dort ständig von Kondensstreifen durchzogen. Hier, am offenen Meer, kann ich mich nicht erinnern, je ein Flugzeug gesehen zu haben.

Sternschnuppen sind immer wieder mal aufgetaucht. Einmal sah ich einen hellen Punkt still und leise von Süd nach Nord eilen. Das dürfte einer jener polumlaufenden Nachrichten-Satelliten gewesen sein, mit deren Hilfe Arnd die Welt täglich über die Position der Narwal informiert.

 

Himmel, Wolken, Wind und Regen, Sonne, Mond und Sterne

Ich habe viel Zeit, den Wolken zuzuschauen. Was es da für eine Vielfalt gibt! Die tiefen weißen Haufenwolken, sie laden unsere Fantasie ein, unsere Monster hervor zu holen, Tiere Untiere, Fabelwesen, Zwerge, Echsen, Dinos, Gnome, Kobolde, Riesen, Prinzessinnen, Würmer, Trojanische Pferde – und vieles, was uns heimlich und unheimlich ist. Sie stehen da, so lange man hinsieht. Schaust du 5 Minuten weg, sind auch sie verschwunden. So ist das mit den Gespenstern.

Die Haufenwolken sind hier anders. Es sind hier nicht unsere Schönwetterwolken, diese Blumenkohle, mit scharf abgegrenzter Unterseite und ebenso scharf begrenzten, runden Auswüchsen nach oben. Hier sind sie viel mehr ausgefranst. Ich glaube die heißen dann Cumulus Fraktus. Und ist die Unterseite auch noch ausbeult, dann sind das die Cumulus Mammatus, oder kurz Mammaten. Da regnet es dann auch bald mal heraus. Nicht aller Regen kommt herunten an. Oftmals verdunstet er unterwegs schon wieder. Oder es nieselt bloß noch.

Dazu, einige Gedanken von mir zur "Geschichte vom Passat" hier.

 

  

Dieses Bild zeigt den freundlichen Riesen, wie er mit ausgebreiteten Armen auf uns zufliegt. Der war wirklich gut! Es gibt auch liebe Gespenster und Gespinste.

Typische Bilder mit gleichzeitig hohen und tiefen Wolken sind das.

Als Cumulus Mammatus mögen die Bilder durchgehen. Eigentlich ein wenig schmalbrüstig.

 

Zu Beginn unserer Fahrt über den Atlantik ist es recht kühl. Der Himmel ist sehr bedeckt, doch es regnet wenig. Das Wasser hat weniger als 20 Grad. Der Wind und die Wellen haben starke Nordkomponenten. Später drehen Wind und Welle etwas ab von Nord und nehmen zu in der Stärke. Das Maximum dürfte bei 40 Knoten gewesen sein. Das ist bei achterlichem Wind durchaus noch angenehm. Unangenehm sind die Wellen dann geworden, wie die später aus Norden kommende Dünung mit der mehr aus östlicher Richtung kommenden Windsee Kreuzseen bilden. (Dünung entsteht nicht durch den aktuellen Wind am Ort des Schiffes, sondern ist die Folge weit entfernter, gewesener Winde). Das kann dann zu überraschend mächtigen Wasserschwällen auf Deck und in die Plicht (das ist der „Aufenthaltsbereich“ im Freien) führen. Weil von hinten kommend hat das nicht so sehr meine Achterkabine mit der nach vorne zu öffnenden Einstiegsluke betroffen, sondern den Salon, samt Elektronik gefährdet.

Wenn es Abend wird,

steht die Sichel des zunehmenden Mondes schon am Himmel. Die Venus ist Abendstern. Wenn es dämmert, ist sie zuerst zu sehen, vor allen anderen Sternen. Wir erleben die Phase, dass Mond und Abendstern ganz dicht, wie im Bilderbuch, nebeneinander stehen. Am nächsten Abend ist der Mond schon ostwärts ausgewandert. Von Nacht zu Nacht wird er voller. Bald steht er bis nach Mitternacht am Himmel.

Die Ekliptik, die gedachte Linie, auf der nicht nur die Sonne zieht, sondern alle anderen Wandelgestirne auch (so ungefähr) dahin wandeln, steht nachts im Winterhalbjahr so hoch, wie tags die Sonne im Sommerhalbjahr. Hier bei uns auf 15 Grad Nord ist das ziemlich im Zenith. So zieht der Vollmond im Laufe der Nacht hoch über uns. Das gibt es in Europa so nie zu sehen. Die Mondbahn glitzert im Heck! Eine halbe Nacht lang. Dann senkt er sich vor uns ins Meer und wir fahren direkt auf die Mondbahn zu. Steht der Mond nicht mehr oder noch nicht am Himmel, ist alles schwarz rundum. Schön dann das Fluoreszieren irgendwelcher Lebewesen im vorbeiziehenden Meereswasser!

Mitten durch den Orion verläuft der Erdäquator, wenn man sich die Ebene, die er bildet, an den Fixsternhimmel hinaus geweitet vorstellt. Somit steht der winterliche Himmelsriese hier in Äquatornähe sehr hoch am Himmel. Er zeigt hier nicht sein typisches „Taumeln“ wie in europäischen Breiten: Vom Aufgang im Osten schräg nach links geneigt, bis zum Untergang im Westen, hier schräg auf die andere Seite taumelnd. Hier kommt er total auf der einen Seite liegend herauf über den Horizont, geht geradewegs über den Zenith und dann auf der anderen Seite liegend wieder unter. Ich weiß das jetzt so sicher, denn ich habe ihm jede Nacht zugeschaut dabei.

Natürlich habe ich das Kreuz des Südens gesucht und gefunden. Und dazu auch ein paar andere Sternbilder (Schiffskiel/Carina, Hinterdeck/Puppis und Segel/Vela des Schiffs aus der Argonautensage) und Sterne (Canopus, der zweithellste Fixstern), deren der Mitteleuropäer daheim nicht ansichtig wird. Skorpion kommt in Mitteleuropa nie ganz über den Horizont herauf. Nach Mitternacht erscheint er hier mit allen seinen Sternen.

 

Land in Sicht!

Arnd hat den Auftrag, mich zu wecken, sobald Land in Sicht kommt. Frühmorgens am Dienstag, dem 24. Februar 2009 klopft Arnd an meine Luke: Ein schmaler hellgrauer Streifen im Westen – Martinique. Wir sind nicht nur später sondern auch etwas südlicher dran als Columbus vor 517 Jahren. Uns erwarten keine Indianer, sondern Franzosen afrikanischer Herkunft. Das heißt, so richtig erwartet worden sind weder wir, noch Columbus. Die Indianer damals, wenn die gewusst hätten, was sie erwartet! Und die Franzosen auf Martinique streiken gerade.

  

 

Arnd hat sich für Le Marin entschieden. Das ist eine tiefe Bucht, ganz im Süden der Insel. Wir drehen mehr und mehr nach Nord. Am Land treten Einzelheiten heraus. Weit links draußen ein markanter Fels im Wasser.

Wir bergen die Segel, denn nun kommt der Wind schon ziemlich von vorne. Irgendwann darf es genug sein. „Zuerst einmal die grüne Tonne ansteuern. Siehst du sie?“ Ja, ich sehe sie. Wir müssen sie an backbord liegen lassen. Das ist anders als in Europa, Afrika und meisten Teilen Asiens, wo man die grünen Tonnen rechts liegen zu lassen hat, wenn man vom offenen Meer kommt und wo hinein fährt. Das Lateralsystem B gibt es also wirklich und nicht nur in der Segelschule (im Gegensatz zum Stromdreieck)!

 

  

Es kommt ein wenig Hektik auf an Bord. Einen Landfall nach 3 Wochen hat noch keiner von uns beiden gehabt. „Jetzt, im letzten Moment musst du dir die Schuhe anziehen“! zürnt mir Arnd. Eine halbe Stunde später legen wir provisorisch an der Tankstelle an. In Martinique ist seit 4 Wochen Streik – die haben auf uns sicher nicht gewartet jetzt. Die Hafenverwaltung in Le Marin beteiligt sich am Streik in der Weise, dass sie auf Anfragen verkündet, es sei kein Platz frei. Bei näherem Hinfahren und -sehen zeigt sich das anders.

Doch – wir werden erwartet: von Freunden von Arnd! Es sind Seglerbekanntschaften aus dem Vorjahr. Im Schlauchboot kommen sie uns entgegen. Sie nehmen unsere Leinen an, als wir gegen Mittag am Steg festmachen.

Wir sind herzlich willkommen auf Martinique!

Ich blicke zurück auf drei Wochen Einsamkeit am Meer, am Ruder, im Cockpit, in der Achterkabine. Drei Wochen Zweisamkeit mit einem gut strukturierten Eigner und Skipper, mit festen Vorstellungen wie was zu sein hätte und Unmut, wenn es nicht so ist.

Ich habe mich den neuen Erfahrungen zu öffnen vermocht und alles was war, gut so annehmen können wie es war: Die Temperaturen, das Wetter, den Wind, die Welle, die Schiffsbewegung, den Schlaf- und Wachrhythmus, die Abgeschiedenheit, die Begrenztheit, die Monotonie, die Verständigung und das Zusammenspiel mit Arnd, meinem Gastgeber.

Schade, dass es zu Ende ist, schön, dass wir gut über- und angekommen sind!

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