Teil 2

Wandern auf Cran Canaria

Verfasst am Sa, 01/11/2008, bearbeitet am So, 18/01/2009
   
Letzten Dienstag war ich wieder organisiert wandern mit der Tourismus-Pfarrgemeinde der Deutschen Ev. Kirche Maspalomas. Der Pfarrer Walter Baßler ist ein angenehmer Wanderführer. Er weiß Bescheid über die Pflanzen, das Klima, die Menschen, die hier leben und die einmal hier gelebt haben. Er zieht mit uns bevorzugt auf den alten "Königswegen".

   

Diesmal sind wir mit dem Bus um den Hauptgebirgszug herum an dessen Nordseite gefahren. Hier ist es grün und fruchtbar. Man hat weite Terrassen am Hang angelegt.

   

Es weht der übliche Passatwind aus Nordost. Das bedeutet, dass die am Gebirgshang nach oben gedrängte Luft sich adiabatisch (= infolge Druckabnahme in der Höhe) abkühlt. Die Luftfeuchtigkeit kondensiert zut Nebel. Es beginnt zu nieseln. Das kann allenfalls Nieselregen bis richtiger Regen werden. Was die Wolken nicht freiwillig abnieseln, das melken die Kiefern auf geheimnisvolle Weise aus der Luft. Diese besondere Kiefernart kommt nur auf den Kanarischen Inseln vor. Ihre Nadeln sind sehr lang und ganz fein behaart. Es tropf herab von den Nadeln. An den Stämmen fließen kleine Bächlein herab.

An einer wunderschönen Stelle, hoch am Berg, noch in den Nebelschwaden, machen wir Rast. In kleinen Gruppen oder ganz alleine findet jeder einen Platz in der Kultstätte der Altkanaren. Mitgebrachter Tee und ein Stück Brot gibt uns neue Kraft zum Abstieg. Und der Wandersegen für unser inneres spirituelles Management:


Gott gebe Dir die Kraft,
los zu lassen, was Du nicht festzuhalten vermagst.
ER schenke Dir ein waches Herz,
das die Spuren der Gegenwart erkennt,
offene Augen, die sehen, was um Dich herum geschieht,
offene Ohren, die auch leise Stimmen vernehmen,
eine freie Nase, die auch den Atem des Lebens spürt,
einen wachen Sinn, Neues zu entdecken,
und das Alte so zu bewahren, dass es nicht fade wird,
zärtliche Hände, die Geborgenheit vermitteln,
starke Arme, die Halt bieten,
kräftige Füße, die auch weite Wege gehen können.
So segne und bewahre Dich Dein Gott,
an diesem wunderbaren Ort,
mit diesen wunderbaren Menschen,
dass Du immer bleibst,
was Du bereits bist: von Gott geliebt!
ER umfange Dich mit seiner Liebe,
ER schenke Dir seinen Geist,
dass Du Dein Leben mit seinen
und Deinen Augen sehen kannst,
so schenke ER Dir seinen Frieden und sein Heil.

(Quelle: Walter Baßler, persönliche Sammlun modifizierter altirischer -Segenssprüche, alle Rechte bei ihm, mit seiner freundlichen Genehmigung hier wiedergegeben).


Wir haben die höchste Stelle am Gebirgskamm passiert und steigen nach Süden zum Cruz Grande nieder. Bald kommen wir in eine Höhe, wo der Nebel dünner wird und schließlich gibt es ihn nicht mehr. Beim Sinken der Luft entlang der südlichen Abhänge erwärmt sie sich, vorwiegend adiabatisch, das heißt, infolge des Druckanstieges. An den sonnenbeschienenen Südhänge steigt warme Luft auf. Auch sie trägt dazu bei, dass der Nebel in unsichtbaren Wasserdampf über geht. Hinzu kommt, dass das Abregnen im Norden an die Luft die Kondensationswärme, das ist jene Wärme, die zum Verdunsten ins Wasser mal hineingesteckt worden ist, nun wieder fühlbar abgegeben wird. Die so erwärmte Luft bewirkt, dass es im Süden der Insel bei solcher Wetterlage (sie ist die Normalität) um einige Grade wärmer ist, als im Norden. Wir in Österreich kennen das als Föhn.
Vom Cruz Grande und später vom noch tiefer liegenden San Bartolome aus zeigt sich uns ein eindrucksvolles Bild: Der Nebel wälzt sich über den Gebirgszug im Norden, fließt richtig herab und löst sich dann aber ins Nichts auf.


Am Freitag war Wandertheater in Las Palmas; "Don Juan de Tenore" wird gespielt. Dabei wandern die Schauspieler zu vier verschiedenen Plätzen in der Altstadt. Die Zuschauer wandern mit. Während der Aufführung müssen sie stehen. Ich bin zu 3 Plätzen mitgewandert und dann ins Wirtshaus abgebogen. Da gibt's was zu trinken, sitzend an Tischen. (Der Wind war an diesem Tag aus Süden gekommen, daher hatte es noch durstiger machende 20° am Abend). Ich habe mir dadurch erspart, Zeuge des Mordens des Don Juan zu werden. Ich finde die Handlung dieser Oper ziemlich grauslich und entbehrlich. Zum Schlusschor war ich wieder dabei. Dieser Don Juan bereut nämlich und kommt dann unter Chorgesang doch in den Himmel. Es ist das das traditionelle Theater am Tag oder Vortag zu Allerheiligen.


Bergwanderung alleine

Verfasst am Di, 11/11/2008 - 21:54. Bearbeitet  Sa, 17.01.2009
Dienstag, 11. November 2008
Der vorläufige Höhepunkt meines Inseldaseins ist am letzten Sonntag gewesen: Am Fuße des Roque Nublo auf knapp 1800 m Seehöhe. So bis 1500 m hat mich der Bus gebracht. Die restlichen 300 m habe ich bei glühender Hitze zu Fuß gemacht. Aus jedem Garten bellen mich Hunde an. Mandelkerne liegen am Weg, wollen aufgenommen, aufgeschlagen und gegessen werden.
Rechts der Roque Nublo, links die schlanke Nadel ist der Betende Mönch


Der Roque Nublo ist auf der Karte mit 1815 m eingetragen. Er ist ohne alpines Gerät nicht ersteigbar, denn er hat die Form eines auf den kleineren Durchmesser gestellten Kegelstumpfes von etwa 30 m Höhe. Erst ganz oben wird dieser Fels etwas kleiner im Durchmesser und endet schließlich mit einer waagrechten Terrasse. Das ist wirklich sehr ungewöhnlich.
Ungewöhnlich sind aber auch alle anderen Felsformationen, wenn man die Alpen als das Gewöhnliche ansieht. Ganz typisch hier auf Gran Canaria sind lange Partien senkrechter Felswände von vielleicht 5 bis 30 m Höhe und hunderten Metern Länge. An deren Fuß schließt etwa 30 bis 45 Grad schräg nach unten ein gering bewachsenes Gelände an. Darunter wieder geht’s mit der nächsten Partie von senkrechten Felswänden weiter. Das wiederholt sich mehrere male und endet unten oftmals in einer tiefen Schlucht. Die Felswände sind stark zerklüftet von Spalten und Höhlen.
      

      

Ich mache Rast neben einer wohl zwanzig Meter hohen, weithin sichtbaren Felsnadel. Der „Betende Mönch“ soll sie heißen. Es ist natürlich ein Phallus. Was aber vielleicht gar kein so großer Unterschied ist. Beide Haltungen haben was im Hintergrund Gemeinsames. Das JA zur Freude am Leben, das JA zur Schöpfung. So stelle ich mir zumindest die Haltung eines betenden Mönches vor.
Nach Osten blicke ich auf die bewaldeten Nordhänge der Insel. Im Süden schroffe Gebilde aus braunen Felsen. In der Ferne das Meer. Es zeigt sich kein scharfer Horizont, wie man das vom Segelschiff aus meistens hat, sondern Himmel und Meer gehen unscharf und sanft ineinander über. Das Meer ein dunkles Blau, darüber, viel heller, der Himmel.


Im Garten beginnen wir, den Salat zu ernten, den ich Ende September gepflanzt hatte. Es gibt jede Menge an rotem Paprika, großen, schwarzen Auberginen und grünen Zucchini. Am Freitag beim „Ab-Hof-Verkauf“ ist das alles im Angebot. Es sind vorwiegend deutsche Urlauber und Residenten, die das Bio-Angebot schätzen und nützen.


       

  Die Hühner haben ein neues Gehege bekommen

 

Störende und nutzbare Steine

Verfasst am Donnerstag, 13. November 2008. Überarbeitet am 18 Januar 2009
Bei meinen Arbeiten auf der Finka hat der Bau eines Küchenkorpus’ aus Beton und Steinen Priorität. Es sind das viele Arbeitsschritte mit immer wieder Pausen dazwischen. Am meisten Zeit beansprucht das Belegen der Arbeitsplatte und aller anderen sichtbaren Teile mit kleinen Plättchen aus Stein, wie sie hier überall herum liegen. Es ist wie ein Puzzle-Spiel, mit der Besonderheit, dass ich mir die Teile behauen darf und muss. Nach einigen Stunden des Behauens bekomme ich ein Gespür dafür, was ein Stein braucht, damit er jene Form und Größe erhält, mit der er von mir gebraucht werden kann.

Indem ich da so herum klopfe finde ich neuen Bezug zu den braunen und schwarzen Steinen. Ich lerne sie zu handhaben, sie werden mir zugänglich, ihre Eigenart wird mir vertraut. Nun sehe ich die dunkelbraunen, in die tiefen Schluchten stürzenden Felspartien mit freundlicheren Augen. Es fällt das frische Grün auf, das nun wie ein Schleier auf den Geröllfeldern liegt. Die Luft scheint insgesamt feuchter geworden zu sein. Es hat in den letzten Tagen mehrmals ein wenig geregnet. Samen, die jahrelang im trockenen Boden „übersommern“, keimen nun überall. Wolfsmilchgewächse, die wie Kakteen aussehen, treiben grüne Blätter aus und beginnen auch gleich zu blühen. Mannshohes Gestrüpp hat dicke fleischige Blätter angelegt. Es ist das eine Art von Sauerampfer, was durch Kostproben bestätigt wird. Und die Kakteen mit ihren essbaren Früchten.

Mit den Tomaten im Garten geht es dem Ende zu. Deren abgelaufenen Stauden geben wir weg. An ihre Stelle wird wieder Salat kommen. Das bedarf wieder einer Auseinandersetzung mit dem Boden: Aufharken und die größeren und mittleren Steine einsammeln.
Steine sind wohl mein Thema in diesem Jahr: Irgendwann im Frühjahr habe ich mich von Gallensteinen getrennt. Irgendwo im Westen von Afrika habe ich sie dem Meer übergeben.

Auf Gran Canaria begegne ich einer Landschaft, die beim ersten Hinsehen nichts als Steine zeigt. Dann greife ich den Auftrag auf, Steine aus der Erde aufzugreifen und abzusondern. So entstehen steinarme Beete für Rote Beete, Salat und Rucola.
Ich bin direkt ein wenig süchtig nach Steinen, wenn ich da im Garten gebückt oder kniend nach ihnen in der Erde herumkrame. Hier besucht mich Walter, der Pastor der Evangelischen Tourismusgemeinde. Ich spreche von der Schönheit solch segensreicher, elementarer Arbeit und schwärme ihm was vor von meiner neuen Sucht. „Mit den Steinen setzen wir uns ja ein ganzes Leben auseinander“, findet er bemerkenswert. Aha.
Das Thema Steine ist beim Segeln ja auch stets gegenwärtig, fällt mir nun ein. Allerdings mehr in der Frage, wie weiche ich ihnen aus. Aber auch in der Frage, wo ist einer für eine feste Landfeste. Die dunkelbraunen Felsabstürze zeigen mir nun auch ein freundlicheres Gesicht. Es gibt hier viele Häuser, die aus Stein errichtet sind. Wo immer eine Stützmauer betoniert wird – und das sind auf Gran Canaria nicht wenige – wird sie mit Steinplatten belegt. Ich sehe nun genauer hin: Da gibt es so viele verschiedene Arten, wie die Steinplatten aneinander gelegt werden. Vor allem die ungleichgroßen Fugen zwischen den Platten werden in einer unglaublichen Vielfalt mit kleinen Steinen gefüllt. Das sind richtige Kunstwerke, nicht bloß Mauern, sondern schöne Mauern.

Freitag, 14. November 2008
Mit der Fähre nach Teneriffa


Die offiziellen Autobusfahrpläne enthalten alle Abfahrtszeiten, einige Haltestellen und keine Ankunftszeiten. Darauf will sich der Autobusunternehmer wohl erst gar nicht einlassen. Der Busfahrer fährt wie eine gesengte Sau, hält an vielen Haltestellen. Die Kanarier haben offenbar kein Problem, an ihren dreispurigen Schnellstraßen und Autobahnen noch eine vierte Spur samt Buchten für die Bus-Stationen einzurichten.
Ich habe Glück. Der von mir ausgewählte Morgenbus ist nach anderthalb Stunden in Las Palmas. Mit dem Taxi geht’s zum Fährhafen. Rechts die Marina. 1 Woche vor der ARC, der Antlantik-Regatta mit an die 200 Booten am Start schaut die Marina ziemlich vollgefüllt aus.
Mir ist gesagt worden, bei der ARC gäbe es gewiss Bedarf spontan Crew-Mitgliedern zu rekrutieren. Irgendjemand fällt ja immer kurzfristig aus. Ich habe allerdings beschlossen, diesen Termin noch vorbei ziehen zu lassen, denn ich erwarte in der letzten Novemberwoche wieder einmal Besuch aus der Heimat.
Über Internet hatte ich vor ein paar Tagen zweimal Anfragen bekommen, ob ich mitkommen wolle. Morgen oder übermorgen, war der Wunsch. Beide Anfragen hatten mit der ARC nichts zu tun. Die Chancen zum Wegkommen, auch nach der ARC, sehe ich daher nicht schlecht.
Ziemlich gut bewerte ich den E-Mail-Austausch mit einem Stahlschiff-Eigner. Er steht in Malilla, der spanischen Enklave in Nordafrika. Dem Vernehmen nach hat er zwar ein Schiff, ist aber kein Skipper. Er wird wohl in einer Woche auf GC eintreffen. Da wollen wir dann sehen, ob wir mitsammen segeln wollen.

Um 08:00 Uhr hat die Fähre abgelegt. Nach 2 Monaten fester Bio-Erde unter den Füßen fühle  ich nun wieder das Schwanken und das Wiegen. Wir nähern uns Teneriffa von Osten kommend. Der Teide, höchster Berg (3715 m) in den Kanarischen Inseln und von ganz Spanien, ist in Wolken gehüllt, als die Fähre sich an ihren Platz im Hafen von Santa Cruz de Tenerife herandreht. Auf der Fahrt mit dem Bus nach Puerto de la Cruz im Westen der Insel zeigt der Teide seine Nordseite. Die ist nun frei von Wolken. Schneefelder an den Hängen im oberen Bereich.


     


Ein Xylaphon in Puerto de la Cruz.
Der Klang eines Xylophons zieht mich zu einem Terrassencafe. Ein Herr mit Spiegelglatze, in weißem Jackett, Krawatte, schwarzer Hose lässt die Schlägel klimpern. Alles was es da an vertrauten Melodien der modernen und klassischen Unterhaltungsmusik gibt, scheint er drauf zu haben. Zum Schluss noch „Eine kleine Nachtmusik“. Spärlicher Applaus, hauptsächlich von mir. Absammeln bei den Gästen.
Ich lächle ihm zu: Mir hat sein Spiel sehr gefallen, versteht er. Der eingesammelte Ertrag sei spärlich gewesen deutet er. Ob ich Musiker sei? Ich nicke: bescheiden. Und gebe ihm noch mal in Gesten meine Anerkennung für sein Spiel. In der Tat, es war für mich so eine Authentizität vorhanden, zwischen den leicht-füßigen Klängen der Hölzer und seinem Bewegen, seiner Mimik, seinem Körperausdruck. Auch die Kommunikation zwischen ihm und dem Publikum konnte ich angenehm spüren. Das ist es ja, was der Musik aus der Konserve fehlt, dieser Austausch mit dem Menschen. „Alles Leben ist Begegnung“, jenes Wort von Martin Buber fällt mir dazu ein. Eine schöne Sequenz für mich an diesem lauen Novemberabend.
Der Xylophonierer im weißen Jackett packt seine Sachen. Ich folge ihm unauffällig zum nächsten Terrassencafe. Ein älteres Ehepaar, das sich nichts mehr zu sagen hat und – ich habe geguckt – auch dem Musiker nichts zu geben hatte, sitzt immer noch schweigend an seinem Tisch. Der Musiker packt wieder seine Sachen. Den Schwarzafrikanern mit ihren Ketten, Masken und Effektgeleuchte gehört die Szene.
Hundert Meter weiter bestelle ich ein Glas Rotwein und bin wieder im Publikum des Schlagzeugers mit dem Xylophon, seinem Spiele lauschend. Ich spiele mich ein wenig zu seinem Claqueur auf. Diese Gäste aus dem Norden sind ja so was von steif! Es hilft. Ich sehe aus seinem Yoghurtbecher diesmal mehr Münzen herausrauschen als zuvor. Auch sein Gesicht ist freundlicher. Nun packt er wieder Spielbrett und Gestell unter seinen Arm und zieht weiter. Ich lass mir Zeit mit dem Rotwein und ziehe dann ganz langsam hinauf zu meinem Hotel.
Der Barbier, bei dem ich zuvor mein Haar abgegeben hatte, ist dabei, sein Geschäft für heute zu beenden. Ich bin schon wieder neugierig und gucke durchs Fenster, was denn den Mann so wütend um sich schlagen lässt. Ich vermute, es sind Kakerlaken, denen er einen Teil seiner abendlichen Bodengymnastik widmet. Aha: Im November kurzärmelig durch die Straßen zu wandeln, keine Heizung zu brauchen, keinen Frost zu erleiden heißt auch, mit Kakerlaken zu leben. Ein gewisser Trost für uns steife Mitteleuropäer im Norden.

   

  Wolken am Morgenhimmel über Puerto Cruz

 

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