Trinidad – Venezuela
von 02. bis 13. Dezember 2009

Ich bin im Hotel „Melbourne Inn“ in Port of Spain eingezogen. Von hier aus ergänze ich mein Reisezubehör mit zwei neuen Mobiltelefonen, mit einer neuen Kamera, denn die 3 x reparierte gebe ich auf. Ein mobiles Handfunkgerät habe ich gekauft:

Und meine Sandalen lass ich reparieren.

Ich will versuchen, am Landweg nach Venezuela zu kommen. Astrid, die Administratorin des Weltreiseforums http://www.worldtrip.de/, hat für mich Bus-Verbindungen erforscht. Die hat da eine Menge Informationen in der Schublade, um solche Sachen herauszufinden.

Weil ich nur eine Einfachfahrkarte kaufe, muss ich in Venezuela damit rechnen, dass die Einreisepolizisten mich nach einem Ausreise-Flugticket fragen. Auch in Venezuela, wie in sehr vielen Ländern der Welt, darf nur einreisen, wer eine Ausreisefahrkarte vorweisen kann. Es gelten nur Flugtickets, allenfalls auch welche von Fähren. Auch der Nachweis, dass ich auf der Crew-Liste eines Schiffes stehe, würde akzeptiert. Ein Busticket im Vorverkauf zu bekommen – das geht nicht einmal in Österreich.

Reisebüros haben reagiert darauf: Ich kann eine Flugkarte lösen von Caracas nach Panama City. Die kostet nur 200 TTD (€ 17,--) geht aber gar nicht zum Fliegen. Doch für die Grenzpolizisten ist das nicht erkennbar.

Ich habe mein Reisegepäck erleichtert. Ein 9,94 kg schweres Paket werde ich morgen zur Post bringen. Der Inhalt: Vollgeschriebene Tagebücher, ein Portugisisch-Deutsch-Wörterbuch, meine Sternscheibe, die für den nördlichen Himmel gebaut ist. Auch ein ganzes Buch über den gesamten Sternenhimmel geht schweren Herzens heim Meinen Wollpullover habe ich auch dazugestopft. Ich habe ihn noch nie gebraucht auf meiner Reise. Ein paar Tage später, im saukalt klimatisierten Bus nach Caracas werde ich ihn sehr vermissen. Und ein paar Kleidungsstücke. Im Abfallkübel landen abgetragene Wäsche, Sandalen und Sachen aus der Reiseapotheke. Die war bei der Abreise einfach zu umfangreich ausgefallen.

 

Der Koffer ist gepackt

Ich habe heute, 07.12.09, hier alles noch wunderbar erledigen können in Port of Spain: Paket aufgeben - hat 1 Stunde gedauert, denn ich musste auf der Post den Inhalt besichtigen lassen. Dann sorgfältigst zukleben und zum Überfluss noch in Packpapier einpacken. Keine Ahnung, wofür das gut sein soll. Die zwei Frauen am Schalter waren sehr bemüht mich zu unterstützen bei meiner schweißtreibenden Arbeit, sowohl mit Material, wie mit Werkzeug – Packpapier, Schere und Filzstift.

Dann die Zettel ausfüllen. Die wollen immer auch den Reisepass sehen. Da wird alles genau aufgeschrieben. Auch diese Aktion ist mir unerklärlich.

Für Venezuela habe ich mich mit USD eingedeckt. Einen neuen Koffer habe ich auch kaufen müssen. Nun ist alles eingepackt und es kann wieder einmal los gehen. Inzwischen kenne ich Venezuela ja schon ein wenig. Da ist das Ungewisse nicht ganz so ungewiss.

Am Weg meiner letzten Besorgungen in Port of Spain gibt es noch Interessantes zu sehen:


Die Weihnachtsfrau.

Eine Krippe, aufgestellt im Park


Sieben Männer vom örtlichen Elektroversorgungsunternehmen üben das Aufstellen von Strommasten.

 

Mit der Fähre nach Güiria auf Venezuela

Um 6 Uhr früh weckt mich der Security-Mann des Hotels nicht. Meine innere Uhr lässt mich unruhig werden und nachschauen auf der äußeren Uhr meines neuen Handys: 06:15. Katzenwäsche, rein in Hose, Hemd und Sandalen, Koffer und Rucksack geschnappt. Da wartet schon das Taxi auf mich und auf Sören, dem Dänen. Er hat wie ich im Hotel gewohnt und das gleiche Ziel wie ich: Venezuela. Die Fähre geht etwas außerhalb von Port of Spain ab,
von der Pier 1.


Dieses schlossartige Gebäude mitsamt der Pier 1 stammt noch aus der Zeit, da die USA hier einen Militärstützpunkt hatte.

Das Einschiffen beginnt um 7 Uhr, 2 Stunden vor Abfahrt. Zeitlich schier endloses Schlangestehen am Schalter, später am Steg. Dort haben wir die Koffer einzeln aufzustellen. Ein Wagen fährt sie raus auf das kleine blaue Fährschiff. Im Hotel zurück bleibt meine Kappe - man sollte nie so überhastet aufbrechen, versuche ich daraus zu lernen.


Das Einreisen in Venezuela zieht sich wieder ziemlich hin. Diesmal darf das Schiff sofort im Hafen anlegen. Die Schweinegrippe scheint etwas an Schrecken verloren zu haben. Dennoch trägt die Ärztin eine Maske über Mund und Nase. Sie sitzt an Bord in einem Nebenraum. Diesmal werde ich nicht nach Kopfweh gefragt, sondern ob ich geimpft bin. Ich verneine auch dieses Mal. Es war offenbar die richtige Antwort, denn ich werde abgehakt. Eine geschlagene Stunde, dann sind alle Fahrgäste ärztlich beschaut.

Jetzt nimmt eine Grenzpolizistin den Platz im Nebenraum ein. Wider Erwarten werde ich nicht nach einem Ausreise(-Flug)-Ticket gefragt! Ich hatte mein blindes Ticket in der Tasche – völlig überflüssigerweise. Ich erfahre nicht, ob die Einreisepolizisten den Ticket-Trick durchschaut hätten oder nicht.

 

 


Wessen Einreise aktenkundig geworden ist, darf nun das Schiff verlassen. Draußen wartet der Zoll auf uns. Ich gehöre zu den letzten Aussteigern. Die Frauen und Männer, die uns kontrollieren, sind schon müde, sodass meine 3 trinidadischen Grapefrüchte unentdeckt mit mir einreisen.

Das Paar rechts im Bild reist schon seit ein paar Jahren mit Rucksäcken auf der Welt herum. Sören, links im Bild, arbeitet auf einer Bohrinsel, fast rund um die Uhr. Dann hat er immer wieder lange Zeiten zu weiten Reisen.

 

Sören kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „der Ernste“, sagt Sören. Er ist nicht das erste Mal in Venezuela. Er weiß, dass am Nachmittag ein Bus von Guiria (hier landet die Fähre) nach Caracas fährt. Wie ich das erfahre, beschließe ich spontan, auch diesen Nachtbus zu nehmen. Wir erhaschen Fahrkarten für die beiden letzten Plätze im Bus.

 

Nachtfahrt nach Caracas

Die Nacht vergeht im Flug. Wie im Flugzeug: Du steigst in A ein, siehst nichts vom Land und bist am nächsten Tag in B, in meinem Fall in C, wie Caracas, der Hauptstadt von Venezuela. Es war saukalt im Bus, wovor ich zwar gewarnt worden, wofür ich dennoch schlecht gerüstet war. Ich vermisse sehr meinen Pullover.

In der Morgendämmerung blinzle ich aus dem Fenster. Ich sehe, dass wir in einem Tal fahren. Links am Hang stehen Hochhäuser. Dann kommt eine lange Strecke mit mehrstöckigen kleinen Häuschen. In Blöcken nebeneinander und übereinander bedecken sie den gesamten Hang. Die Häuser sind unverputzt, nur rotes Ziegelwerk. Allmählich kommen verputzte Häuser dazu. Irgendwann sind wir in St. Martin – Endstation des Busses.

Es ist Donnerstag, der 10. Dezember geworden. Ein Taxi bringt uns in die Posada „Nuestrohostel“. Sie präsentiert sich im Untertitel als Herberge für Backpacker. Der Stadtteil hier wird Sabana Grande genannt. Auf den Straßenschildern steht San Antonio.

Zwei Tage in Caracas

Sören weiß, wo man gut frühstückt – gleich um die Ecke. Und auch, wo man ins Internet kommt – gleich an der Ecke gegenüber. Abendessen gibt es ein paar Schritte weiter in der Fußgeherzone.

Die Posada hat eine gefällige Terrasse im Obergeschoß mit Blick auf und Beschallung von der belebten Calle Colegio.

 

 

 

Der kalte Bus hat die ohnehin schon vorhandene Influenza genährt. Ich nehme die kleinen Kugerl, die mir in solchen Fällen immer helfen. Ich gurgle, sooft es möglich ist dieses Pulver mit dem Schlangengift in homöopathischer Dosis. Nun - am Freitag-Vormittag gehe ich ganz langsam zur Fußgeherzone. Ich mag nichts Großes unternehmen, irgendwelche Sehenswürdigkeiten einsammeln und abhaken. Beim Kauf von Stadtplan, Taschenkalender und Bauchtasche habe ich freundliche Begegnungen mit Menschen auf der anderen Seite des Ladentisches.

 

 

 

 

 

 

Ich sehe die Bettlerin am Gehstein sitzen mit zwei Kindern.

Es gibt auch hier die schlafenden Männer auf den Gehsteigen.

Ein anderer verkauft begeistert Lose.

 

Straßenkehrer mühen sich redlich, doch der Dreck liegt hoch. Selbst in Restaurant-Bereichen kümmert sich seit Tagen offenbar niemand um die Sauberkeit am Boden. Hier eine zentrale Müllsammelstelle für ein paar Häuserblocks.

 

Bis zum Abend liegt dreimal so viel um den Container herum als in ihm Platz hat.

Am Morgen ist alles weggeräumt. Dann beginnt das Spiel auf’s Neue.

In meinem kränklichen Zustand genieße ich sehr die Musik eines Flötenspielers.

Er hat „Indianer-Uniform“ an. Aus einem Lautsprecher tönt Musik, zu der er spielt. Es ist nicht gerade das, was ich so liebe. Doch mich berührt das Leben seines Spieles auf Block- und Panflöte.

 


Später kommt ein zweiter Indianer dazu.

 

 

 

 

 

 

Es sind sehr sanfte Weisen, die der Indianer spielt. Nicht Wenige sitzen auf der nahen Bank und lauschen ihm. Ich setze mich zu ihnen.

Am Samstag erkunde ich unter Sörens Begleitung den Weg zum Terminal für Busse nach Maracaibo. Wir nehmen die U-Bahn.

 

Ich will von Maracaibo aus über die Grenze nach Kolumbien kommen. Es ist der nördlichste der 4 Grenzübergänge von Venezuela zum befeindeten Nachbarstaat. Er soll der sicherste sein. Ich kaufe mir sogleich eine Fahrkarte für den späten Abend.


Der Bus-Terminal gleicht von außen einem riesigen Parkhaus.

 

 


So sieht es in den Straßen nahe dem Bus-Terminal aus:

 

 

 

 


Hugo Chavez ist allgegenwärtig.

Es erinnert mich an DDR und Rumänien vor der Revolution.

Den Nachmittag verbringe ich mit Sören und seiner Freundin im Parque del Este.

 

Das ist ein riesiger Freizeitpark. Es sind viele Menschen da. Sie verteilen sich auf die verschiedenen Areale. Es gibt Wiesen, schüttere Baumbestände,

kleine Restaurants und Cafes, einen Tiergarten, einen kleinen See zum Bootfahren

und vieles mehr.

 

Auf einer Wiese spielen wir Freesbee. Ich mag das gerne. Dieses Konzentrieren im Augenblick des Werfens und des Fangens mach Spaß. Es gibt auch keinen Verlierer und keinen Gewinner dabei. Man wirft einander zu und freut sich, wenn Wurf und Fang gelingen.

Die Fahrt im Nachtbus nach Maracaibo wird wieder sehr kühl, obwohl ich diesmal besser gerüstet bin.

Es fließt Blut

Früh am Morgen treffen wir am Bus-Terminal in Maracaibo ein.


Es wird heiß: Ich werde Augenzeuge eines handgreiflich endenden Streites zwischen einem Fahrgast und dem Buslenker. Als dieser mit einem geschwollenen Auge, mehren Schürfwunden im Gesicht und blutverschmierten T-Shirt die „Arena“ verlässt, tut er mir leid. Da fährt uns der brave Mann in der Nacht hunderte Kilometer sicher übers Land – und dann muss er sich verprügeln lassen.

Sichtbar begonnen hat es damit, dass der Buslenker nach der Ankunft am Busterminal in Maracaibo die Fahrgäste sehr lang auf ihr Gepäck hat warten lassen. Die Leute haben schon zu murren begonnen, als er endlich erscheint, grantig die Klappe öffnet, unfreundlich die Nummern aufruft und das Gepäck ausfolgt.

Meine Sachen stehen gleich vorne. Ich ziehe mich ein wenig zurück damit und ordne sie und mich. Immer wieder höre ich Gezänk und Rufe des Unmutes. Das letzte Gepäckstück ist ein gebündelter Schlafsack. Der Fahrer wirft ihn dem Eigentümer zu, aber nicht etwa in einer sanften Wurfparabel, sondern pfeilgerade. Er schießt förmlich auf den Fahrgast mit dessen eigenem Schlafsack. Der besinnt sich offenbar seiner eigenen Faust, geht auf den Fahrer zu und legt sie ihm blitzschnell in die rechte Gesichtshälfte. Ebenso schnell kriegt der Fahrgast die Rechte des Fahrers auf die linke Backe. Das geht ein paar Mal ganz flink hin und her. Ich habe sowas noch nie gesehen. Ich verspüre kurz den Impuls, zur Kamera zu greifen, lass es aber dann sein.

Der Fahrgast ist nicht alleine unterwegs, sondern mit schlagkräftigen Freunden. Der Fahrer hat die schlechteren Karten und liegt auch schon am Boden. Ich glaube, er hat tüchtig Prügel bekommen. Auch mit Füßen. Die Menge kommt verbal, vielleicht auch tatkräftig zu Hilfe. Das Menschenknäuel am Boden beginnt sich aufzulösen. Der Mann mit dem Schlafsack entfernt sich gemessenen Schrittes. Ein Mann aus der Menge protestiert, andere stimmen ein. Da kommt eine unheimliche Bewegung in die Masse. Erst gehend, dann schneller und schneller, schließlich laufend verfolgen 30 Menschen den Schlafsackmann. Der beeilt sich seinerseits. Das weitere Geschehen entschwindet meinem Gesichtsfeld.

Nun taucht der Fahrer auf, mit Blessuren, wie oben beschrieben. Er geht völlig normal zum Autobus. Ich habe den Eindruck, dass ihm sowas öfter passiert. Wundern täte es mich nicht. Ich konnte es dem Fahrgast gut nachfühlen, dass er jetzt zuschlagen musste. Und wenn das dem Fahrer noch nie passiert ist, dann war es höchste Zeit für einen Denkzettel. Seine Fahrleistung in allen Ehren, aber so geht man – Himmeldonnerwetter – mit Fahrgästen nicht um!

So richtig pazifistisch komme ich mir nicht vor, wenn ich mir zuschaue, wie ich da Partei ergreife, für den, der den ersten Schlag getan hat. Oder war der Schuss mit dem Schlafsack der erste Schlag? Oder waren es die Beschimpfungen der Fahrgäste? Oder war es die freche Provokation des Fahrers? Oder war es dessen Frau, die ihn zu Hause geärgert hatte? Oder hat er zuvor sie gekränkt?

Ich bin sehr froh, hier nicht Richter sein zu müssen. Ich bin auch froh, nicht Zeuge sein zu müssen und dass ich meine Kamera im Hosensack gelassen habe. So habe ich nichts gesehen, nichts gehört, nichts gesagt  ....

Ich schaue mich ein wenig um, am Terminal.

 

 


Man muss wissen, dass es in Venezuela kaum Eisenbahnen gibt. Da spielt sich das alles an den Bus-Terminals ab.

 

 

 


Da habe ich ein Public-Taxi nach Macao in Kolumbien genommen.

Macao liegt im Nordwesten von Kolumbien, einige Kilometer westlich der Grenze zu Venezuela. Im Autobus von Caracas nach Maracaibo sind wir viele male angehalten worden. Polizisten mit riesigen Schießprügeln steigen ein, gehen den Gang nach hinten, schauen und greifen aufs Gepäck. Geöffnet wird nichts. Manchmal wird Passport verlangt. Hineinschauen tut keiner. Unser Taxi, das uns von Maracaibo nach Macao bringt wird ein dutzendmal von bewaffneten Polizisten angehalten. Die Frau neben mir gibt dem Fahrer jedes Mal einen Geldschein in die Hand. Der gibt ihn an einen der Polizisten weiter. Er findet offenbar immer den Richtigen, denn unser Gepäck wird kein einziges Mal kontrolliert. Daran dürfte die Frau sehr interessiert gewesen sein. Ein Mann wird in einem Fall aus dem Auto geholt. Irgendwie hat es mit seiner ID-Karte zu tun. Das Gleiche passiert später einer der anderen Frauen. Ich bin an die DDR erinnert.

Erstmals ernst genommen werde ich vom kolumbianischen Grenzer bei der Einreise. Der hat erstmals für mich in Südamerika meinen Pass auf einen Scanner gelegt. Ansonst hält in Kolumbien das Anhalten und oberflächlich Kontrollieren durch Schwerbewaffnete an. Als ob Krieg wäre.

Die Straße zwischen den Grenzposten von Venezuela und Kolumbien zeugt von der schlechten Beziehung der beiden Länder.



Es ist Sonntag, der 13. Dezember 2009.

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