Die zweiten 7 Wochen auf St.Lucia                                                                                                                Teil 2

Ein guter Tag beginnt mit einer Mango
- das war schon auf Gran Canaria so.


Meine fixe Arbeit am Morgen ist es, die nächtens und tags zuvor herunter gefallenen Mangos einzusammeln. Davon bringe ich dann einen großen Kübel in die Küche –


wirklich eine schöne Arbeit. Die wissen gar nicht, wohin mit den vielen Mangos. Ich biete freilich Unterstützung, aber mehr als acht Stück am Tag vermag ich nicht zu verdrücken.
Was zu weich ist bekommen die Kühe.

Tiere auf Balenbouche: http://www.myvideo.at/watch/6625533


Eine Treppe mit Stufen aus Grashalmen

Ich bin Volonteur auf Balenbouche. Die Arbeit muss mir selber suchen. Es gibt zwei lange Stiegen hinunter zum Mühlrad der aufgelassenen Zuckerfabrik.

Die Stufen sind aus dickem Bambus gemacht. Das hält ein paar Jahre – und die sind jetzt gerade vorbei. Ich fälle ein paar lange Bambus-Stecken und mache daraus die neuen Stufen.


Bambus ist ein Gras. Es wächst in Büscheln von ein, zwei Metern Durchmessern. Hoch werden die Halme hier so 10 bis 20 Meter. Die dickeren Halme kommen auf 8 bis 10 cm im Durchmesser. Wenn der Wind in die Bambus-Büscheln weht, und die Stangen aneinander schlagen, dann gibt das laute Klänge. Die Idee, daraus Musikinstrumente zu bauen, ist nicht zu überhören.

 

Balenbouche ist von 1770 bis 1940 eine Zuckerrohrplantage gewesen.

Das Zuckerrohr wurde vor Ort verarbeitet zu Zucker. 1840 ist das große Wasserrad investiert worden.

 

Ich nehme an, dass es das Kanalsystem für das Oberwasser neu dimensioniert werden musste und jene Gebäude gebaut wurden, deren Reste noch zu sehen sind. Auch der Oberteil einer Destille und viele andere Maschinenteile stammen wohl aus der Investition von 1840 Das sind die Spuren:


Teil einer Destille für Ölgewinnung und für Rum.


Altes Gemäuer


Große Behälter aus Kupfer und aus Gusseisen
Reste des Kanalsystems, das zur Versorgung des Wasserrades benötigt wurde, speisen nun einige Zierteiche:


Im vorigen Jahrhundert hat in Europa die Zuckerrübe an Bedeutung gewonnen. Dadurch ist der Preis des Zuckers in der Karibik verfallen. Arbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz. Damit wird jener Sabotageakt in Verbindung gebracht, der 1940 das Mühlrad zum Stehen gebracht hat. Die Situation der Arbeiter war damit endgültig besiegelt. Inzwischen ist Gras über die Sache gewachsen:


Das Rad hat einen Durchmesser von 25 Fuß, also etwa 7 Meter. Was das an Willenskräften bedurft hatte, so eine Anlage, fern von England zu planen, die Einzelteile zu produzieren, zu verschiffen, bis hierher zu transportieren, zusammenzubauen und schließlich in Betrieb zu setzen!


Dieser Baum konnte an dieser Stelle erst nach der Stilllegung der Zuckerfabrik gewachsen sein und somit ist er noch keine 70 Jahre alt. Hohe, schmale Wurzeln verlaufen an der Oberfläche des steinigen Bodens und von Mauerresten:


Und hier noch ein interessanter Baum, der Calabash-Baum. Seine Frucht ist nicht essbar, doch die äußerste Hülle gibt schöne und brauchbare Schalen:


Wie das mit Zuckerrohr vorbei war, hat man auf Balenbouche andere Früchte angebaut und produziert: Zitronen, Bananen, Ingwer Pfeffer, Kaffee, Kakao, Tabak, Baumwolle und Kokosnüsse . 1970 hat Erik Lawaetz Balenbouche erworben. Das ist der Schwiegervater und Großvater von den jetzigen Betreibern, Uta und ihre Töchter Verena und Anitanja.
Heute gibt es hier auf 75 acreas, das sind 30 ha, die Landwirtschaft:

Rinder und Reitpferde

einen größeren Kräutergarten und Kokospalmen


Mango und Papaya. An eine eigenständige Bio-Gärtnerei ist Land verpachtet. 1990 wurde begonnen, frühere Personalgebäude in Gästehäuser umzubauen. Heute gibt es 4 Gästehäuser mit insgesamt 15 Betten


In diesem Haus sind früher Baumwolle, später Kokosnüsse gelagert worden. Es ist heute der Gruppenraum, wo zum Beispiel Yoga gemacht wird.


Gäste aus allen Hotels der Insel werden mit Autobussen zu den Sehenswürdigkeiten gefahren, so auch nach Balenbouche. Sie genießen den wild-natürlichen, gepflegten Park, schauen hinunter aufs Wasserrad, werfen vielleicht einen Blick in eines der Gästehäuschen.

Uta erzählt ihnen die Geschichte dieser „Heritage“, womit Kulturerbe gemeint ist. Zum Schluss gibt es noch ein Glas Mangosaft für jeden Besucher.


Die Hauptsaison in den Gästehäusern ist von Oktober bis Anfang Mai. Das ist jene Zeit, wo es in USA, Kanada und UK kalt ist. Die Regenzeit und die Zeit der Hurrikans beginnt im Juni und endet im Oktober. Da sind in Balenbouche Volonteure willkommen – weshalb ich hier sein kann. Es kommen auch im Sommer immer wieder mal Gäste. Ich denke, da gibt es dann Nachsaison-Preise.
Hier werden gerne Hochzeiten gefeiert. Auf Wunsch kommen Priester oder Pastoren ins Haus. Noch im Juni werden hier ein aus Martinique stammendes Paar Hochzeitsfest halten. Man erwartet 400 Gäste. Dazu wird es ein eigenes Zelt geben. An der Verkabelung für die Beleuchtung des Parks, der Gebäude und der Bäume arbeiten wir derzeit.

 

Die Menschen auf Balenbouche
Drei Männer arbeiten außer Haus. Hier ist Mumu, beschäftigt mit dem Herauskratzen von Kokosflocken.

 

Er ist der, der auf Palmen klettert, um Kokosnüsse zu pflücken.
Baban sehe ich viel im Garten arbeiten. Immer hat er einen breitkrempigen Strohhut auf.

 


Zum Fototermin habe ich ihn gebeten, ihn abzunehmen.
Uta schätzt den Baban sehr. Er ist ihr seit vielen Jahren ein treuer, selbstbewusster, loyaler Helfer, erzählt sie mir. Baban habe ein wunderschön gepflegtes Häuschen. Seit einigen Jahren sei er Witwer. Er besitzt einige Kühe. Die laufen mit in der Herde auf den Weiden von Balenbouche. Baban wird im August 69. Fast jeden Tag arbeitet er seine 8 Stunden.
Wenn mit der Motorsense gemäht wird, dann ist es meist der Oliver


Es gibt zwei Frauen. Die sind für die Sauberkeit in den Gästehäusern, im Haupthaus und in der Küche zuständig.
Hier sitzt die Familie Lawaetz mit Gästen beim Spätstück:


von links: Viki, ein Gast aus Kanada/Trinidad, sie verdeckt ihren Ehemann; dann Uta Lawaetz, Tochter Verena Lawaetz, ein Mädchen aus dem Freundeskreis der Familie, Tochter Anitanja Lawaetz.


Von rechts: der zuvor verdeckte Ehemann Mike, dann wieder die Viki, ich/Volkmar, ein Freund des Hauses mit kleiner Tochter und Verena.

Anitanja, die jüngere Tochter von Uta veredelt die Kokosflocken zu Massageöl. Die Flocken werden mit Wasser versetzt und fermentiert. Nach einigen Tagen ist das Öl heraußen aus den Flocken und hat sich abgetrennt vom Wasser. Anitanja massiert selbst damit und verwöhnt Gäste, die das möchten. Zu einer ihrer Arbeit zählt das Herstellen von Schmuckketten.


Ich sehe Verena die Besucher im Gelände herumführen, beim Kochen, Servieren und viel am Computer. Sie überarbeitet soeben den Internetauftritt www.balenbouche.com
Uta kommt aus Deutschland. Ihre Schulzeit hat sie in Tirol verbracht. Sie hat ursprünglich Schreinerei gelernt, sich dann zur Innenarchitektin weiter gebildet und als solche gearbeitet. Sie hat Balenbouche zu dem gestaltet, was es heute ist. Anfang der 90er Jahre kommen erstmals Gäste. Sie beziehen frühere, dafür umgebaute Personalhäuser.


Bei Uta laufen alle Informationen zusammen und sie verteilt die Arbeit – oder macht sie selbst: Kochen, servieren, reparieren, Holz bearbeiten, Stöckelpflastersteine setzen, Gräben ziehen, Elektroinstallationen, Machete schleifen  ----.

 

Wie kommt man an die Kokosnüsse auf den Palmen heran?

 


Der Mumu klettert wie ein Affe hinauf, verrät mir Uta.
Das, worum es bei den Kokosnüssen hier geht, ist das Wasser in der noch grünen Frucht. Es ist völlig keimfrei. Man könnte es sich direkt ins Blut spritzen. Den Versuch unterlasse ich, denn gerne führe ich diese klare, nur leicht süßliche Flüssigkeit über meine Geschmackszellen im Mund in den Körper. Ebenso unaufdringlich wohlschmeckend ist das zarte, weiße Fruchtfleisch. Bei jüngeren Früchten ist es noch gelee-artig, daher wird es „jelly“ genannt. Erwischt man eine schon sehr reife Nuss, dann wird es hart zum Beißen.
Mumu ist taubstumm. „Die Menschen hier sind nicht freundlich zu den Behinderten. Hier auf Balenboushe ist er beschützt. Darum kommt er auch immer wieder gerne. Er hat ein gutes Herz“, sagt Uta. Die Verständigung mit ihm ist ziemlich klar. Daumen nach oben heißt „Ja“, den Kopf schräg in die linke Hand gelegt, Augen geschlossen, heißt „morgen“.
Uta hat bei ihm eine Kokosnuss bestellt für mich. Er überrascht mich damit, als ich verschwitzt und ziemlich durstig die Stufen der Treppe erneuere, die zur Mühle hinunter führt. Mit der Machete schlägt er kleine, kalottenartige Stücke von der äußeren Hülle der Nuss ab. Zuletzt macht er ein Loch – und ich darf den Mund ansetzen zum Trinken. Ich reiche ihm die leer getrunkene Nuss. Mumu schlägt sie mit zwei kräftigen Hieben entzwei, dann wird noch ein Löffel abgehackt. Ich schlürfe das weiße, zarte Fruchtfleisch ein. Mit beiden Daumen nach oben, gebärde ich mich begeistert. Linker Zeigefinger auf ihn gerichtet, Kopf leicht schräg, fragende Augen, mit den Fingern der rechten Hand krabble ich einen imaginären Palmenstamm hinauf. Er nickt heftig. Ich neige meinen Kopf auf die andere Seite, hol meinen imaginären Fotoapparat hervor und knipse ab. Meine Augen sind fragend-bittend. Mumu stimmt mit beiden Daumen zu! Dann Kopf zur Seite in die Hand gelegt, Augen zu. Ich bestätige, dass ich ihn verstanden habe und forme mit den Lippen ein deutliches „Tomorrow“. Mumu zeigt mit einem Daumen nach oben – abgemacht.
Früh am Morgen steht Mumu da. Ich knipse fragend. Mumu nickt und richtet den Daumen nach oben. Alles klar für den Fototermin! Mumu umklammert den Stamm nicht, wie wir das beim Maibaumkraxeln tun. Seinen Rumpf stemmt er mit den Beinen weg vom Stamm, die Arme sind auf Zug. Wie die Artisten im Zirkus „Afrika – Afrika“. Schritt um Schritt und schon verschwindet er oben im Schopf der Palme. Sieben Nüsse fallen zu Boden. Dann kommt Mumu wieder zum Vorschein. Er klettert herunter, wie vorher hinauf. Während Mumu die Nüsse zum Trinken aufhackt, versuche ich in seiner Technik die Palme zu besteigen. Weil um 20 kg zu schwer, scheitert mein Vorhaben.

Kokosnussernte:  http://www.myvideo.at/watch/6625522

 

Es tagt auf Balenbouche



So wie abends mit Einbruch der Dämmerung es langsam immer lauter wird von Insekten und anderem Getier auf den Bäumen, so wird es morgens stiller und stiller. Die Frösche gehen wohl bald nach Mitternacht schlafen, denn beim ersten Wasserlassen höre ich sie nicht mehr. Auch der Klack-Klack ist in der Morgendämmerung nicht mehr zu hören. Was langsam ausklingt, wenn es schon fast heller Tag ist, sind die Schellenglöckchen.
Nun höre ich wieder das Meer deutlich rauschen. Die Steilküste ist etwa 20 Meter hoch. Das hält den Schall ab. Doch es gibt einen kleinen Bach. Zur Regenzeit ist er wohl ein Fluss. Der hat ein tiefes und weites Tal in den Sandstein und das Konglomerat gegraben – daher der Name „Balenbouche“, auf deutsch „Walfischmaul“. Durch dieses Maul wird das Rauschen im ganzen Paradiesgarten hörbar. Es weckt Unruhe in mir.
Einmal bin ich unten gewesen. In der Bucht steht eine kleine Insel. Ja, eine stehende Insel, denn das Ufer bricht nach allen Seiten steil ab, ausgewaschen von der Brandung. Die Wellen brechen gewaltig heran, auch ans Festland. Sie haben im Laufe der Zeit eine ziemlich steile Sandküste aufgebaut. Die endet dann am Fuße der senkrechten Konglomerat-Wand. Beim Schwimmen merke ich es gleich: Es hat hier eine starke Strömung nach west. Ich spute mich, wieder ans Ufer zu kommen, denn an der nächsten Ecke zieht das Wasser hinaus in die weite Welt. Dazu fehlt mir im Moment ein Schiff. Mit dem Meer ist hier nicht zu spaßen. Hier lässt, das selbst formlose, jede Form annehmende Wasser, was erahnen von seiner unheimlichen, verformenden Gewalt.

Mehr Meer: http://www.myvideo.at/watch/6625542


Diese unheimliche Stimmung kommt in mir auf, wenn ich noch im Bett dem Rauschen lausche. Ich sollte wohl wieder einmal nach unten gehen, vor Ort dem Walten der Gewalten Augen und Ohren öffnen.
Und dann die Rinder – keine zehn Meter von meinem Haus stehen sie auf der Weide und fangen an zu muhen. Manchmal schon um sechs Uhr, spätestens aber um sieben. Sehr anhaltend, klagend und zugleich einfordernd – das ist freilich meine Interpretation. Ich sehe mich veranlasst, mich mit zwei großen Eimern in den Mango-Garten zu begeben. Die überreifen, angeschlagenen und angefressenen für die Kühe, die festen Früchte für die Küche. Die Kühe freuen sich, aber sie drängeln nicht, wie Schafe, Ziegen oder Hühner, sie quietschen auch nicht wie Schweine und sie beißen nicht wie Hunde. Nein, eine Kuh, wenn sie mich mit dem Eimer kommen sieht und vielleicht auch mein „kuhli-kuhli“ hört, wendet mir erst mal den Kopf zu. Dann beginnt sie Fuß vor Fuß zu setzen und trottet in aller Ruhe zur Futterstelle. Andere Tiere folgen. Eine Kuh erkennt nicht, dass für sie weniger bleibt, wenn auch andere vom gleichen Haufen fressen.
Vor ein paar Tagen haben Baban und Mumu den Kanal geputzt. Jetzt ist wieder Wasser in den Teichen beim Mango-Garten. Die Seerosenblüten liegen an der Oberfläche. Manche ragen ein wenig heraus. Es ist wieder Leben im Teich. So friedlich auch kann Wasser sein.


Wanderung am Strand
Eine Rundwanderung im Regenwald hatte ich im Sinn, als ich gestern morgens um halb 10 an der Hauptstraße stehe. Die Sammel-Taxi seien am Sonntag rar, hatte mich Uta gewarnt.

Mich nimmt bald eines auf. Der Fahrer hat seinen Enkel neben sich. Der darf das Lenkrad führen, Schlaglöchern ausweichen, Kurven schneiden – alles lernt der Kleine. Drei Kilometer vor Vieux Fort heißt er mich aussteigen, der Großvater. Nein, er will kein Geld. Ich bin offenbar Gast bei einem Familienausflug gewesen. Nach wenigen Schritten hält ein Auto für mich zur letzten Etappe nach Vieux Fort, wo die Busse nach Norden fahren.

Ich bin der erste Fahrgast im Taxi-Bus nach Castries. Es dauert lange bis ein Zweiter kommt. Ein Kokosnuss-Schlächter hat mich erspäht und bringt mir eine grüne Frucht, fast geöffnet. Oh ja, gerne. Ich krame mein Geld aus der Hosentasche. Inzwischen habe ich mir abgewöhnt, die ganze Geldbörse mitzunehmen mit allen Scheckkarten, ÖBB-Vorteils-Karte, Mitgliedskarte vom Autoklub usw. Ich nehme nur das mit, was ich zu verbrauchen gedenke und schiebe es, wie in ganz Westindien der Brauch, in die Hosentasche. Die Scheine, spätestens die des Wechselgeldes, ziehe ich da genau so verknüllt heraus, wie das hier alle tun. Echt cool.
Der Bus-Fahrer beginnt zu schimpfen mit mir. Ich nehme an, er fürchtet, dass ich die Kokosmilch im Bus trinke, was wie rauchen und essen verboten ist. Der hat einen schlechten Tag heute, halte ich für sehr wahrscheinlich, und beschließe, nicht mit ihm zu fahren.

Ich lenke meine Schritte auf die Straße, die in den Norden führt. Vielleicht nimmt mich wer mit? Da lockt mich der nahe Strand. Hier im Süden sind zwei Inseln vorgelagert, die Marien-Inseln. Sie sind Naturschutzgebiet.


Trotz der Inseln gibt es starke Wellen am Sandstrand. Ich ziehe die Schuhe aus. Das mag ich, dieses Anrollen und Auslaufen der Wellen am flachen Sandstrand! Und dann so halb im Wasser, halb im Trockenen dahin waten. Ich komme zu einem Sporn, wo der Strand im spitzen Winkel nach Norden wendet. Hier laufen Wellen aus zwei Richtungen aufeinander – ein interessanter Ort.


Ich begegne einem weißen Mann. Weiße sind hier seltener als Schwarze im Straßenbild von Linz. Man nickt einander zu, oder spricht sich an. Woher, wohin? Der Andere ist aus Florida und ich bin Österreicher. Wir wünschen einander „enjoy the rest of the Sunday“.


Diese Absperrung hatte ich nicht zu deuten gewusst.



Und so gerate ich ins Gelände einer All-inklusive-Nobelherberge.


Mit einem Kleinbus komme ich nach Micoud. Hier sind alle Menschen wieder freundlich zu mir.


Ich schlendere durch das Städtchen, kauf mir was zum Essen und zum Trinken. Ein richtiges Gasthaus gibt es hier nicht. Das übliche gegrillte Hühnerhaxl ist mein Lunch.
Weiter komme ich heute nicht mehr. Der Regenwald muss warten.

 

Ob ich wirklich weiß bin, wollen sie wissen.

Ein Kleinbus fährt vor in Balenbouche. Dem Beifahrersitz entsteigt eine gut proportionierte schwarze Mami. Aus den hinteren Sitzen purzeln Kinder jeglichen Alters. Die Frau holt Mango-Früchte ab für den Verkauf am Markt. Nicht jene Mango, die ich morgens vom Boden auflese – die sind alle schon so reif, dass sie vorwiegend versaftet, oder sehr bald verzehrt werden. Für den Verkauf eignen sich nur die gepflückten Früchte.
Die im Auto verbliebenen Kinder rufen und winken mir fröhlich zu, als sie mich sehen. Ich geh ahnungslos nahe an den Bus heran – da begrapschen die Kleinen meinen bloßen Oberkörper und haben ihren Jubel damit. Ich lasse sie gewähren. Sie haben ein kindliches Vergnügen, sich mit den eigenen Händen zu überzeugen, wie da wirklich nichts Weißes abgeribbelt werden kann.

In Canaries und meine fluchtartige Abreise von dort

Meinen kleinen Rucksack am Rücken, Fotoapparat schussbereit in der Tasche, so sieht man mich durch Canaries ziehen. Menschen sitzen vor ihren schmucken Häusern, andere vor in die Jahre gekommene Holz- und Wellblechverschläge. Da geht kein Fremder durch, ohne gesehen zu werden!

Aus zehn Meter Entfernung ruft mir ein junger Mann zu, woher ich komme. Ich erzähle ihm von mir. Was er da mache, frage ich ihn. Aha, eine Art Tagesheimstätte für Rastafari-Kinder ist das hier.

Ich ziehe weiter zum Fischerhafen. Da ist eine Anlage mit vielen Fischerzeug-Hütten im fertig werden. Es hat schon Leben hier. Männer spielen lautstark Domino. Junge Burschen lungern herum. Einer liegt in einer Scheibtruchen (hochdeutsch Schiebkarre). Ich finde das fotogen und lass mir das fotografieren erlauben. Dann ein Foto von mir mit Scheibtruhe und dem Burschen drin.

Das schafft Kontakt – die Burschen gehen mich um ein Getränk an. Eigentlich nicht jene Ebene, die ich schätze. Ich gebe dem einen 10 EC-Schein, zu einem Getränk für jeden von uns. Er verschwindet – und kommt nicht wieder. Über den Tisch gezogen, erkenne ich. Doch man darf das nicht so eng sehen. „Lateralschaden“, wie die Amerikaner sagen, wenn es Tote gibt bei einer ihrer militärischen Friedensaktionen. Sowas geht halt manchmal schief.

Vor einem Haus lässt mich ein Schild nachdenklich werden:

For what shall it profit a man if he gain the whole world and lose his own soul?
Wofür soll das gut sein sein, wenn ein Mann die ganze Welt gewinnt und seine eigene Seele verliert?

Eine Frau tritt aus dem Haus – ob mir der Spruch gefällt, fragt sie. Ich muss gestehen – ja.

Dann komme ich zu einer Gruppe jüngerer Frauen. Die sagen mir gleich von vornherein, fotografieren nur gegen Geld. „You have money“, sagen sie mir auf den Kopf zu. „I’m not a rich man“, verwehre ich mich. Wenn ich ein reicher Mann wäre, würde ich nicht nach Canaries kommen, schon gar nicht im Sammeltaxi und mit Rucksack, allenfalls mit einer Reisegruppe aus dem All-Inclusiv-Hotel oder Golf spielen. Die Frauen sind gnadenlos. Sie deuten auf die richtige Stelle meiner Hose und bestehen darauf: „You have money“. „Was ich habe, dafür habe ich viel gearbeitet“, versuche ich mich als Streetworker. „Und außerdem habe ich es vom Behalten und nicht vom Hergeben“, denke ich mir im Stillen, „und selbst wenn ich all mein Hab und Gut im Dorf verteilte, es würde euch wenig helfen und ich wär dann so arm wie ihr“, sinniere ich leise weiter. „For my Baby“, meint eine andere. „Wo ist der Vater – der hat dafür zu sorgen!“ versuche ich es mit der Moral. Sie weiß sofort die richtige Antwort: „The father is died“. Es ist alles vergebens. Die Fronten haben sich verhärtet. Ich gehe.

Die Baby-Mutter folgt mir. Das Baby hat sie jemand anderem überlassen (vielleicht der wirklichen Mutter?). Und wenn sie wirklich recht arm ist, und der Vater wirklich tot ist? Die Lage hat sich entspannt – gebe ihr einen 20-EC-Schein. Sie bietet sich an, mir das Dorf zu zeigen. Schon sind wir bei einem kleinen Häuschen, wo auf ihr Klopfen eine alte Frau heraustritt. „Meine Mutter“, erklärt sie mir. Ich dürfe eintreten, sagt die Baby-Mutter. Das wird mir zu eng. Ich blicke auf die Uhr und täusche größte Eile vor: „My bus!“ heuchle ich überrascht, „bye!“

An der Stelle, wo ich den Bus erwarte, entdeckt mich eine ziemlich heruntergekommene Frau. Sie schiebt sich hautnah heran und erzählt mir was von ihrer Wohnung. Sie scheint mir unter Drogen zu sein. Die Arme ist alles andere als von irdischer Schönheit beschenkt. Ein einziger Zahn noch schmückt ihren Mund. Sie bettelt nicht bloß, sie meint wohl, sie habe noch was anzubieten von ihrem Körper, das wovon sie möglicherweise immer wieder erfahren hat, dass es das einzige ist, um zu Zuwendung jeglicher Art zu kommen. Ich versuche ein wenig, sie in mein Herz zu nehmen und lehne freundlich aber bestimmt ab.

Der Bus kommt. Das war Canaries.

 

Die letzten Tage auf Balenbouche


Am 20. Juni – wenn ich nicht mehr da bin – wird ein Paar aus Frankeich/Martinique hier groß Hochzeit halten. Es werden 400 Gäste erwartet. Es gibt große Ereignisse, die werfen ihre Schatten voraus. In diesem Fall werfen Scheinwerfer ihr Licht voraus.
Ein Bagger hat kleine Gräben gezogen für elektrische Leitungen zu den Scheinwerfern, die einige Dutzend an der Zahl aufgestellt werden sollen. Ich erlebe noch die Beleuchtungsprobe. Ist der ganze Park schon am helllichten Tag zauberhaft, so zeigen Bäume, Sträucher und Bambusstangen im Spiel von Licht und Schatten ein so unwirkliches Bild, wenn ich mich dem hingebe, lässt es sonst nicht gekannte Gefühle aufkommen. Das macht dann jene verklärte Stimmung, die von dem Vorbereitungs-Komitee aus Martinique offensichtlich gewünscht wird.
Ich muss der Arbeit nicht mehr so nachlaufen wie zu Beginn. Inzwischen läuft sie mir nach. Die Gräben wollen wieder zugeschüttet werden. Da kommen dann Rasenziegel drauf. Zum Teil muss ich sie selber ausgraben und herbeischaffen. Später bringt mir der Mumu die Rasenziegel. Es gibt auf Balenbouche keine Scheibtruchen (Schiebkarren), sondern nur diese Tücher. Da wird draufgelegt, was bewegt werden soll und dann heißt es ziehen:



Das Installieren der Scheinwerfer und das Verdrahten und Anschließen ans vorhandene Netz ist Chefsache. Hier die Uta bei der Arbeit:


Ich qualifiziere mich als Plattenleger. Nachdem sie mein Werk gesehen hat kommt Uta ins Schwärmen über die hier wieder einmal sichtbar gewordene europäische Sorgfalt bei solchen Arbeiten,. Ich hab es freilich leichter, als jeder bezahlte Arbeiter, denn ich kann mir so viel Zeit lassen, bis es so gut gelungen ist, dass ich zufrieden bin damit:


Es wird ein letztes mal gemäht, Laub gerecht und herab gefallenes Astwerk verräumt. Die Anitanja beginnt Blumenschmuck zu arrangieren. Ein Esel trifft ein. Auf ihm soll die Braut von ihrem Vater herein geführt werden. Die drei üben schon. Der Esel verhält sich sehr kooperativ. Über die Symbolik zu lachen fällt mir ein wenig schwer. Soll das zeigen, dass die Frau nun einen Esel gefunden hat, auf dem sie künftig das Leben reitet? Und das Bild der Jungfrau Maria wie sie nach Ägypten reist – assoziiert nicht gerade die Aussicht auf eine sinnliche Ehe.
Während in Balenbouche schon das Partyzelt aufgestellt wird...


...bringen Verena und ihr Freund George mich nach Soufriere. Mit dem Sammeltaxi über die berge nach Castries und weiter zum Flughafen. Wir machen noch Halt beim Kokosnussmann.


Ein letzter Schluck aus der Kokosnuss.
Ich fliege über Barbados nach Canouan, einer Insel der Grenadinen, zu St. Vincent gehörend. Hier wird mich Georg auf seiner Segelyacht aufnehmen und mit mir und seiner Familie durch die Grenadinen nach Trinidad segeln.

 

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