Vier Wochen Kornaten und Umgebung, Teil 3

Delfine um den Bug, vier Frauen, zwei Männer an Deck

Dritte Woche (KW36, 2.9. – 9.9.2006) auf „Yvonne“, Elan 36,
gechartert bei Pitter-Yachting, Basis Murter

Murter – Kaprije – Festland in Nähe Rogoznica – Bisevo – Vis – Sveti Klement (Brac) – Solta – Smokvica Veli – Zut – Murter

Was das Segeln am Meer angeht, sind drei der Frauen gänzlich unerfahren. Michael, mein Vize-Skipper fährt mit A-Schein und eigenem Boot am Neusiedlersee. Inzwischen hat er auch schon zwei Wochen Hochsee-Erfahrung.

Die Frauen drängen, noch am Abend auszufahren. Der Wind passt und wir segeln eine Meile hinaus ins Bojenfeld vor die Insel Zminjak. Kleider vom Leib, es gibt ein erstes ausgiebiges Bad. Leiser Zug lässt uns sanft zurück in die Marina gleiten, während die Sonne hinter den Inseln verschwindet und der Himmel rot und violett erglüht.

Obwohl wir nur drei Stunden draußen gewesen sind, habe ich während der ganzen kommenden Woche das Gefühl, schon einen ganzen Tag länger unterwegs zu sein.

Am Sonntag, nach Einkauf und Bord-Instruktion, tuckern wir aus Murter hinaus. Wir finden zwischen mehreren Inseln die befahrbaren Passagen. Umweht von Lady-Brise, so um die 5 Knoten, leichtem Dunst, viel Sonne und Badewasser finden wir Hingabe und Entspannung den ganzen Tag.

Hatten in den zwei Wochen zuvor Crew und Skipper sich von den mitsegelnden Psychotherapeuten in der Gesprächskultur anstecken lassen, so prägen nun die Impulse einer ausgebildete Masseurin das Geschehen an Deck. Auch wir zwei Männer verstehen uns auf die Kunst, das Herz bis in die Fingerspitzen strömen zu lassen und haben bald alle Hände voll zu tun. Eine Atmosphäre des liebevollen Umganges miteinander und der Lebensfreude hüllt unser Boot ein. Am dritten Tag sind wir von Delphinen umschwärmt. Ich bin sicher, die spüren das und fühlen sich wohl mit uns. Paarweise kommen sie hoch, kraftvoll, elegant, zum Greifen nahe. Ein knappes Schnaufen, schon sind sie wieder eingetaucht. Vor dem Bug queren sie unseren Kurs. Sie drehen sich zur Seite und äugen mit einem Auge herauf zu uns, die wir, ganz still geworden, am Vorschiff versammelt sind.

Am Abend, in der Bucht Vanjska auf Kaprije, findet unser Anker guten Grund. Am Morgen des Montages ist es ganz windstill. Ich hatte uns den 129 m hohen Berggipfel auf Kaprije schmackhaft gemacht. Ja, den wollen wir nun kosten! Schon der Weg ist das Ziel – Doris versteht es, wildwachsende Feigen und Mandeln aufzuspüren. Die haben schon gewartet auf uns. Was gibt es Schöneres, für solch paradiesische Früchte, als von lebensfrohen Menschen verspeist zu werden! Die dunkle Haut, das rote Fleisch, wie das so aufmacht, bevor du es an die Lippen führst! Und dann diese Süße! Elisabeth ist sicher, nie vorher in ihrem Leben so köstliche, honigsüße Feigen verspeist zu haben. Sie kann das Tuch kaum fassen, darin sie ihre Feigenernte gelegt hat. Ich mahne ihr Gruppenbewusstheit ein und warne sie, dass nach dem Verzehr von zehn Feigen der Mund zu brennen beginne. „Ich habe erst vier gegessen,“ lügt sie. „Manchen Menschen beginnt der Mund schon nach vier Feigen zu brennen!“ versuche ich – vergeblich – mir meinen Teil zu erschleichen. Feigen erschleicht man nicht, mann bekommt sie geschenkt, darf ich erfahren.

Lange konnte ich dem Wort „Der Weg ist das Ziel“ nichts anfangen. Seit ich es modifiziert habe auf „Auch ein Weg kann Ziel sein,“ geht’s mir gut damit. Immer wieder finde ich mich auf Wegen, die auch Ziel sind. Als Motorbootfahrer fährst du von A nach B und das sehr schnell, hat mir mal einer erklärt,. Dann macht er die Handbewegung „Gashebel nach vorne“ und intoniert lautstark, unter Einsatz aller seiner Mund- und Rachenorgane einen Volvo-Diesel, dass uns vor Lachen die Kontrolle über so manchen Schließmuskel entgleitet. In B gibt es das dann zum Beispiel ein Wirtshaus.Ein Ziel, das jeder begreifen kann. Ich weiß, ein Wirtshaus kann was sehr Schönes sein! Ich lasse gerne beides gelten. In Wirtshäusern kann man Menschen antreffen, die die seltene Gabe haben, wie ein Schiffsmotor zu tönen, for instance. Ich werde ihn nie vergessen. den Viehhändler aus Grieskirchen! Mit Rücksicht auf seine schwanger Frau hatte er diesmal die Motoryacht gebucht. Das war beim Ante damals, in Vrulje auf Kornat.

Und Michael Ende kommt mir in den Sinn, in Momo. Der Straßenkehrer: „Strich um Strich“. Er schaut nicht ans Ende der langen Straße. Schritt um Schritt. Wer von uns nicht selber Feigen suchen geht, ist in der Nähe von Roswitha. Ein Unfall vor Jahren lässt sie und alle, die mit ihr gehen, Schritt um Schritt gehen. „Wenn ich esse, dann esse ich, wenn ich gehe, dann gehe ich ...“ so habe ich es von einem buddhistischen Mönch gelesen. Die Schritte bewusst setzend erreiche ich schließlich unser anderes Ziel, den Berggipfel.

Was soll ich vom Ausblick hier berichten? Es ist wie auch bei jedem Kunstwerk: Das Erhebende ist nicht der Kunstgegenstand an sich. Nicht die natur hier am Gipfel. Was mich hebt, ist das, was die von außen kommende Sinneswahrnehmung in mir zum Schwingen bringt. So wie Ärgernisse, Kränkungen von außen sehr viel mit dem zu tun haben, was es in mir auslöst, weil ich solchem Übel Platz in meinem Inneren gegeben habe, so hat auch jede Lust, jede Freude, jeder Genuss seine Quelle in mir selbst, weil ich ihr Platz gegeben habe. Das Land, das Wirtshaus, der Weg, die Feige, der Mensch, die Geliebte, der/die/das mich in Freude, Lust und Genuss kommen lässt, sind zwar die Auslöser – nicht mehr und nicht weniger! Das gibt ihnen einen besonderen Platz in meinem Herzen – sie lösen aus, können nur das auslösen, was in mir vorhanden ist, was in mir vielleicht wachsen durfte, was mir, wer weiß woher, geschenkt worden ist. An dieser Quelle zu sein, darauf kommt es an. Der geografische Ort ist es nicht. Da kannst du hinfahren, wohin du willst, von A nach B und Y bis Z. Die eine Quelle ist es.

„Wär nicht das Auge sonnenhaft, wie könnte es die Sonne je erblicken!“ So ähnlich ist es von Goethe überliefert. Es ist bei mir, während ich vom Gipfel Kaprijes auf Wasser, Land, Glitzern, Blau, Boote, Buschwerk Felsen und Gebirge vor meinen Füßen blicke und in den leicht dunstigen Himmel über mir. Ich freue mich, dass ich es so genießen kann. In meiner Vorstellung schweben Engel, Geister um mich, die mich tragen und durchdringen.

Jede/jeder genießt den Gipfel auf seine Weise, still schauend, leise Worte wechselnd, fotografierend. Mich überkommt es schließlich, ein kleines Steinmanderl zu errichten. Irgendwann vor Jahren muss einer damit begonnen haben, denk ich mir, hier seiner eigenen Männlichkeit zu huldigen, oder dem Männlichen überhaupt, dem Yang, wie die alten Chinesen es nannten. Könnte auch eine Frau gewesen sein. Da stehen sie nun herum, ein Dutzend solcher „Da-Stehe-Ich“ und „Das-Bin-Ich“. Auf der Krone der Friedhofsmauer schlagen wir in kindlichem Vergnügen die Mandeln auf. Die professionelle Gastlichkeit der Insel genießen wir mit einem Camparie-orange.

Eine schwache Brise aus West treibt uns dicht an den Mulo heran. Dieser Leuchtturm wird schon im Logbuch eines Ururgroßonkels erwähnt, als er gegen Ende des vorvorigen Jahrhunderts in kaiserlichem Auftrag eine Fregatte kommandiert zu einer Good-Will-Reise nach Süd- und Nordamerika. Damals hat es wohl noch diese Leuchtturmwächter gegeben, die da monatelang darauf gewohnt haben.

Vor der Borovica-Bucht mühen sich wieder einige Segler ab mit dem Ankern – es ist wirklich ein sehr schlechter und tiefer Ankergrund hier. Nach einem vergeblichen Ankermanöver am Eingang der Bucht, schlüpfe ich vorbei an dem in der hinteren Ecke verleinten Riesen-MoBo. Hier macht die Bucht einen rechtwinkeligen Knick nach Ost. Das Echolot piepst aufgeregt. Es ist gerade noch breit und tief genug für unser Segelboot. Mit vier Landleinen hängt es da wie eine Spinne.

Die am MoBo müssen einen Vogel haben. In der schönsten, stillsten Bucht der mittleren Adria, an diesem lauen sternenklaren Abend lassen sie nicht nur den schlecht gedämpften Generator laufen, nein, sie sehen auch noch fern. Es klingt nach Krimi oder Sience Fiction, was die sich da einziehen. Es leiden die Wassergeister, die Nymphen, die Faune und auch wir. Doch wer brutal von A nach B fährt spürt so was nicht. Und wie brutal bin ich? So ganz ohne ist so ein Hochsee-Segelboot ja auch nicht. Ich muss an Freund Gerhard denken. Er hat sich dieses Jahr ein Kajak gekauft. Damit war er in Istrien – und sehr glücklich damit, wie er gemailt hat. Schade, dass es an den Felsküsten Dalmatiens so wenig Zeltplätze gibt, suche ich nach Ausreden.

Irgendwann wird auch das MoBo still. Ungestört begleitet von Zikaden funkeln die Sterne auf uns, die wir die Nacht an Deck verbringen.

Den Morgenwind nützen, hatten wir uns am Abend vorgenommen. Fünf Uhr Tagwache, Leinen los um halb sechs. In der Morgendämmerung verlassen wir die Borovica. Schwache Brise aus West bis Nordwest. Vor uns die Schemen von Solta, Hvar, Vis und Bisevo. Wollen wir? Ja, wir wollen! Wieder Wind von achtern, ruhige See, Sonnenschein. Olivenöl für unsere Haut ist das einzige, was wir aus der Küche brauchen. So finden uns dann die Delphine und feiern mit uns die Lebensfreude.

Nach acht kurzweiligen Stunden erreichen wir Bisevo. Ein Anker im hinteren Ende der Bucht Balun gesetzt und zwei Landfesten sichern uns eine halbwegs ruhige Nacht. Ich besuche schwimmend die nahe Blaue Grotte. Von einer Fischerin erwerben wir zwei vor unseren Augen erbeutete Oktopusse. Die Ursula versteht sich auf deren schmackhafte Zubereitung. Über Mangel an Beißerlebnis gibt es nichts zu klagen.

Der gemeinsame Besuch in der Blauen Grotte am nächsten Morgen ist nicht das reine Naturerlebnis: Ein Dutzend Dingis sind schon drin. Ein Kassier in Fischerboot am Eingang postiert zeigt sich unerbittlich. Unvorbereitet wie wir sind, schwindeln wir uns erst mal an ihm vorbei. In der Höhle beschimpft ein Kroate die schwimmenden Besucher, weil sie bloß nicht zahlen wollen. Auch wir entkommen nicht – der Kassier begleitet uns auf der Rückfahrt bis an unser Schiff. Ganz klar ist nicht, wofür wir jeder die dreißig Kuna geben. Klar ist nur – wenn Blaue Grotte, dann am Nachmittag. Auf das blaue Licht am Vormittag kannst du verzichten, wenn du rundum nur Stress hast.

Am 20. Juli 1866, also vor sehr genau 140 Jahren hat es die Schlacht bei Lissa (kroat. Vis) gegeben. Das lernt bei uns jeder in der Schule. Unter Admiral Tegetthof besiegt Österreich hier Italien zur See. Auch am Festland hatte Österreich über Italien die besseren Karten. Ob uns die zur See und zu Lande stolzen Italiener heute das schon verzeihen? Im eigentlichen Bruderkrieg mit Preußen hatte Österreich verloren – Königgrätz. Wir mit unseren Vorderladern, lernen wir in der Schule. Für die Italiener haben andere gewonnen. Bismarck hatte sich in dramatischem persönlichen Einsatz, er dachte ernsthaft an Rücktritt, für einen nachhaltigen Frieden mit Wien eingesetzt, der den dort Mächtigen das Gesicht wahren sollte. Man würde sie noch mal brauchen können. Als auch der Kronprinz seinem Vater Kaiser Wilhelm sagt, er schließe sich Bismarcks Sicht an, sieht der Kaiser in Berlin ab von einer Bestrafung, sprich Gebietsverlusten der Habsburger. Ja, so spielen die Mächtigen mit uns. Oder ist es ihnen doch auch um uns gegangen? Gibt es bei so Kriegen überhaupt Gewinner? Gerne möchte man sich über all diese Dinge stellen und alle Kriege kurzweg verbieten. Ich denke, so ein großer Krieg ist auch Summe und Produkt vieler kleiner Kriege, nach denen nicht nachhaltig wirklicher Friede geschlossen worden ist. „Wie gehe ich mit den Feinden meines Alltags um,“ sinniere ich, während wir an den alten Festungen draußen vorbei in die Hafenbucht von Lissa/Vis einbiegen. Die Viser schenken uns den Strom und das Wasser. Wir erwerben Proviant und Getränk. Im Cafe werden wir in allem Frieden bedient.

Peter und Günter vom Nachbarboot winken uns – Doris und mich - zu sich aufs Boot, als wir vom Einkauf, noch beladen mit Wein und Brot, zurückkehren. Ob ich Priester bin, will Peter von mir wissen. Diese Frage kommt nicht das erstemal auf mich zu, wenn ich, wie jetzt, mein weißes langes Hemd anhabe, das mir mein sudanesischer Schwiegersohn geschenkt hat. Ich liebe es, weil es mich so lose um den Körper schmeichelt. Es schützt mich trefflich vor der Sonne und ich bin doch so gut wie nackt. Außerdem kann ich es, von unter her, reffen, wenn es mal zu warm wird. „Günter und ich wollen uns trauen lassen,“ scherzt Peter. Wir teilen unseren Wein mit den verliebten Spaßvögeln aus Bayern, erzählen uns Schwänke aus unseren Seglerbiographien und was im Augenblick gerade wichtig ist. Dann segeln wir ab zu den „Hölleninseln“, in die Bucht Studeni auf Sv. Klement.

Donnerstag, 7.9. Es ist wieder ein Tag aus Samt und Seide. Womit haben wir solches Glück verdient? Ein Geschenk, für das es nichts zu leisten gibt? Sanfter Wind trägt uns nach Solta in die Bucht Poganica. Hier schwimmen wir und laben uns aus der Bordküche.

Schon seit Tagen schwärme ich vor der Crew und vor mir selber, wie schön es sein müsste, jenen Augenblick zu erleben, an dem im Westen die Sonne ins Meer versinkt und gegenüber der Vollmond aus ihm heraus taucht. Und mitten dazwischen, da sind wir. Ja, das wollen wir! Um 20 Uhr und einiges ist Vollmond. Sonnenuntergang ist eine Stunde vorher. Um 17 Uhr verlassen wir unsere Badebucht, um weit genug weg zu sein vom Land, wenn der große Augenblick über uns kommt.

Im Kamasutra ist zu lesen, du kannst dir alles Mögliche ausdenken für das kommende Liebesspiel und du kannst dich mit vielerlei darauf vorbereiten. Bloß - es wird ganz sicher anders kommen. Wir machen die Erfahrung, dass das bei Sonne und Mond auch so ist. Herr Sonne zieht den Vorhang zu, da hat Frau Mond den ihren noch nicht aufgetan. Hinter einer Dunstschicht am Horizont verschwindet heute die Sonne, als sie noch zwei Durchmesser über der Kimm steht. Dem Mond geht es ähnlich. Wie wir ihn endlich erblickt haben, steht er schon einen Durchmesser hoch über der Kimm. Das ist gut eine Stunde später. Und da – ich trau mich gar nicht genau hinsehen, oder es gar der anderen zu sagen – der Mond ist ja gar nicht voll. Habe ich mich im Tag geirrt? Links oben hat er eine Delle! Sie scheint noch größer zu werden. Schließlich lässt es sich nicht länger verheimlichen: Es stimmt was nicht mit Frau Mond. Ist sie etwa unwohl?

Mondfinsternis! Die Roswitha hat es zuerst erfasst und ruft es aus ihrer Kabine herauf. Ich glaube, sie hatte heimlich SMS-Kontakt mit ihrer Astrologin. Es ist eine partielle Finsternis. Die Delle wandert von links nach rechts hinüber und nach ein paar Stunden liegt Frau Mond in ihrer ganzen Fülle vor uns am Himmel. Im vollen Lichte des Herrn Sonne erblüht sie in ihrem waren Wesen.

Die Nachtfahrt bei vollem Mond hat begonnen. Die Ruderwache ist eingeteilt. Vom vielen Segeln sind unsere Batterien leer geworden. Speed- und Windmesser spinnen schon. Der Kühlschrank steht. Positionslichter gibt’s nur bei Annäherung anderer Schiffe. Hoffentlich haben wenigsten die genug Strom im Bauch. Der Orion – das Sternbild des Winters - hängt schräg im Osten, nahe dem Horizont funkelt kalt Sirius. Und dann die immer sichtbaren Sternbilder vom Großen und vom Kleinen Wagen, die Cassiopeia und der Polarstern. Als die Venus, immer noch Morgenstern, aufsteigt, beginnt es grau zu werden im Osten.

Ich habe Wache erst mit Roswitha, zuletzt mit Elisabeth. Wir sind verzaubert. Ich beginne zu rechnen: 10 Stunden, also einen knappen halben Tag ist der Vollmond nun alt. Wie weit bleibt der Mond täglich zurück? Knapp 12 Grad. Dann müsste er etwa 5 Grad im Westen noch über dem Horizont stehen, wenn im Osten die Sonne auftaucht. Ich wage keine Prognose mehr. Aber – es geht sich aus. Manchmal tut am Morgen erst richtig gut, was am Abend zuvor geplant war.

Freitag, der 8.9. ist angebrochen. Leichter Dunst in der Luft, ein wenig Zirren hoch am Himmel. Gegen 9 Uhr ist der halbe Himmel zu. Wir beschließen, durch die Kornaten zu motoren. Den Batterien tut’s auch gut. Als wir die Vela Proversa hinter uns haben, kommt Wind aus Nordost – eine mäßige Bora. Beim Bain auf Zut sind es brave 15 Knoten. Dabei kommen wir auf die Backe, wie an keinem Tag vorher – wieder was Neues. Und dazu auch grobe See. Ein schönes Finale, meinen wir. Aber morgen sollte es noch stärker kommen.

Abschlussessen beim Bain. Wie ist es uns gegangen mit uns als Gruppe und mit jedem/jeder von uns? Vielleicht hätten wir so eine Befindlichkeitsrunde schon eher machen sollen. Ganz ohne Irritation ist es doch nicht abgegangen. Da es sich nun zeigt und ernsthaft darüber geredet wird, hat es Chance, dass Kanten gerundet werden. Die Nacht am Boot ist lebhaft. Dafür sorgt allein schon die Bora. Wir schwolen um die Boje. Eigentlich hat niemand ein Problem damit.

Früh am Morgen, doch schon bei Tageslicht segeln wir los. Die Bora hat 20 Knoten erreicht, mit Böen bis 30. Hart am Wind, dazu die grobe See – es ist uns allen ein riesiges Vergnügen! Da stehen Frauen hinterm Ruder! Gischt um Gischt kommt übers Cockpit. Die ELAN hat kein Sprayhood. Dagmar liegt in der Plicht. Sie wendet ihren Magen mit jeder Wende der „Yvonne“. „Lasst euch nicht stören,“ verlautet sie heldenhaft. Sie ist immer noch bei uns und mit uns im Segelvergnügen. Wir sind bei ihr, halten ihre Beine, beim Wenden auch ihren Rumpf, beim Kotzen die Stirn. Sie ist angeleint, wie wir alle. In Murter angekommen ist sie bald wieder auch gut bei sich.

Roswitha schreibt später in einer E-Mail an Alle:

Hallo Ihr Lieben MitseglerInnen!


Ich möchte Euch allen nochmals für die wunderschönen Stunden unserer
gemeinsamen Paradieswoche danken und Euch sagen, dass ich jede dieser
Stunden voll in mich aufgesaugt und genossen habe.
Es ist wohl selten, dass so viele glückliche Zufälle, angefangen von der
Zusammenstellung der Krew, über das perfekte Wetter und die genußvollen
Zufälle wie die Begleitung der Delphine, oder die einzigartige
Mondnachtfahrt sowie die letzte aufregende, indorphinspendende Segelfahrt
und alles scheinbar unbedeutende was dazwischen lag, zusammentreffen.
Ich freu mich schon auf unsere "Nachbesprechung" und die tollen Fotos, die
Ihr gemacht habt. Ich hoffe dass wir uns bald treffen.
...

Mit ganz lieben (noch immer schwankenden) Grüßen
Roswitha


Elisabeth antwortet dazu:

Hallo an alle und danke Roswitha, für deinen schönen Brief!

Ich habe wohl noch nie in meinem Leben vorher eine derart intensive, verrückte, schöne, freie, lustvolle Woche  erlebt.

Die weißen großen Segel;
die Wellen, leicht oder wilder, wie am letzten Tag;
die Delphine, wie Roswitha schon beschreibt;
der Vollmond samt Nachtwachen;
der Wind und das Salz, die du auf deiner Haut spüren konntest;

besonders berührt haben mich aber auch die verschiedensten Begnegungen mit jedem/jeder Einzelnen. Ob im Gespräch, in der körperlichen Begegnung oder auch im Nebeneinander Sein, oder z. B.  auch dir, Roswitha, zuzuschauen, wie du am letzten Tag bei der Bora am Ruder standest.

Für mich war die Reise "vollkommen", und ich werde meine lebendigen Gefühle hoffentlich noch lange speichern.
.......
Auch ich freue mich auf Nachbesprechung und Fotos, mein Boden schwankt nur mehr leicht (leider).

Herzliche Grüße an alle

Elisabeth

Und Michael:

Liebe Elisabeth und Ihr alle Lieben, Nahegekommenen!

Schöner als du das beschreibst, kann ich es nicht sagen. Und die
Intensität des Erlebten und meiner Gefühle findet sowieso jenseits aller
Worte statt.
Dazu gekommen ist für mich noch, dass die "Yvonne" eine ausgezeichnet
segelnde Yacht ist, und das hat mir noch zusätzlich eine Menge Freude
bereitet.
.......Und dann gibts die NACHBESPRECHUNG! Ich freu mich schon so

......
Schöne Tage wünsche ich euch allen mit intensiven Momenten
Michael

Ein paar Tage später treffe ich auf Doris:

Nächstes Jahr werde ich nicht mehr mitfahren. –
????
Es ist so schön gewesen. Schöner kann es nicht mehr sein

In Murter geht es für mich nahtlos über in die nächste Segelwoche: Die drei neuen Männer sind schon da, die Frauen folgen nach, während wir Platz nehmen im Restaurant. Umarmungsorgie – auf ein Neues!

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