Meine 4 Monate auf Gran Canaria – eine Zusammenfassung

4 Monate Cran Canaria - Das Ende naht

Es ist, Sonntag, der 28. Dezember 2008. In der Nachmittagssonne sitze ich im Beer Garden, einem Restaurant mit Gratis-Wireless. Das erlaubt es mir, mit meinem Laptop ins Internet zu kommen.

Ich habe Antwort bekommen von Patrick aus Florida. Sein Schiff stehe nahe Gibraltar. Nun möchte er es heim bringen, zunächst bis zu den Jungfern Inseln. Er lade mich ein und wolle mich an Bord haben. Er bezahle Hin- und Rückflug und alle Kosten an Bord. Das klingt gut.

Am Heimweg zweige ich ab in den Templo Ecomenico. Die evangelische Tourismusgemeinde (ich habe einige Wanderungen mit ihnen gemacht) beginnt hier in Kürze ihren Gottesdienst. Ich höre es gerne, was der Pfarrer zu sagen weiß. Ich liebe das Singen. Ich lasse mich berühren von den vielen Menschen, die hier gemeinsam einem, ihnen wichtigen Bedürfnis nachgehen. Dann noch Geplauder beim „Kirchenkaffee“ – es gibt Wienerle (=Frankfurter) und Rotwein dazu.

Wieder auf der Straße – aha, ein SMS ist gekommen vom Arnd aus Bremen. Was kann das bedeuten? Ihn, seine Frau Bente und kleines Töchterchen habe ich im September kennen gelernt, eine Stunde nachdem ich, soeben von Mallorca segelnd in Las Palmas eingetroffen war. Sein Boot lag am gleichen Steg uns gegenüber. Nein, meine E-Mails werde ich jetzt nicht abrufen, wie Arnd es mir in seinem SMS empfiehlt. Ich ruf ihn an und darf erfahren: Das Paar, dem er sein Boot zur Verfügung gestellt hat, damit sie damit in die Karibik segeln, sei auf den Kapverden angekommen. Sie sind alle seekrank und fahren unter keinen Umständen mehr weiter. Ob ich ihm bei der nun nötig gewordenen Überführung in die Karibik helfen würde?

Innerhalb von nur 2 Stunden tun sich auf 2 Schiffen die Kojen auf, um nach meiner Hand zu greifen. Ich werde nicht etwa aus Mitleid mitgenommen. Nein, man sieht auf meine Erfahrung, man schätzt mich, trotz oder wegen meines reifen Alters, ja man findet mich sympathisch. Das tut der kleinen Seele gut. Und nun diese Gleichzeitigkeit! Mich für eine von zwei Möglichkeiten entscheiden müssen – das ist eins vom Schwierigsten schon immer gewesen in meinem Leben. Wie wird das enden?

 

Und nun vom Anfang an

Angefangen hat meine Zeit auf Gran Canaria so: Am Vormittag des 13. September 2008 legt die SY Henriette an am Steg 17 im Yachthafen von Las Palmas auf Gran Canaria. 14 Tagen zuvor waren wir drei Rentner in Mallorca, fit wie unsere eigenen Turnschuhe, mit dieser Segelyacht ausgelaufen: Unser Eigner und Gastgeber Heinz aus Schwaben, mein Freund Erwin aus Niederösterreich und ich.

Am gleichen Steg gegenüber ein Boot mit deutscher Flagge. Arnd und Bente mit Töchterchen leben und fahren auf dem Boot. Nein, in die Karibik werden sie nicht fahren. Denn die Familie ist im Aufbau, Bente ist sichtlich schwanger. Das Boot allerdings werde schon fahren. Ein befreundetes Paar mit Kindern wolle damit in die Karibik. Platz sei da keiner mehr für mich.

An diesem ersten Tag auf Gran Canaria –es wäre zu schön gewesen, schon nach 1 Stunde wieder Anschluss zu haben.

Ich erlebe eine unwirtliche Insel

In den nun folgenden 4 Monaten auf dieser braunen steinigen hässlichen Insel werde ich stundenlang vor meinem Laptop sitzen und in den einschlägigen Foren des Internets meine Nachfrage hineinstellen, oder sollte ich es besser mein Angebot nennen? Ich werde alle Häfen aufsuchen, die Stege auf und ab laufen, mit Schiffseignern reden, meine Visitkarten verteilen, mein schönes Gesicht von der besten Seite sehen lassen, mein Angebot/meine Anfrage an die schwarzen Bretter heften.

Las Palmas hat die Skyline einer schrecklichen Anhäufung von Hochhäusern – verwechselbar mit jeder anderen gesichtslosen Stadt an einem Meer. Zum Zeitpunkt unserer Ankunft verunziert das Ungetüm eines Bohrturmes nicht nur die äußerste Mole, sondern das gesamte Stadtbild, für alle, die vom Meer her kommen. Eine Autobahn verläuft entlang der Küste vor der Stadt. Der Verkehr donnert hier Tag und Nacht. Wo fahren denn die alle hin auf dieser fünfeckigen Insel, grade 40 oder 50 km im Durchmesser? Ich hatte wohl die Vorstellung gehabt, auf einer lieblichen Insel zu landen, vergleichbar mit einer von diesen kleinen, vergessenen in der Ägäis. Nein, so ist das nicht. Gran Canaria hat 800000 Einwohner. Las Palmas ist die Hauptstadt, auch politisches Zentrum für die Nachbarinseln Fuerteventura und Lanzerote, konkurrierend mit Teneriffa, wo die Regierung sitzt. Ich bemerke sehr bald, dass das hier nichts Vergessenes ist. Das ist eine pulsierende selbstbewusste Stadt. Die Region der Kanarischen Inseln hat einen Sonderstatus innerhalb Spaniens. Wer hier seine Wurzeln hat, ist zuerst einmal ein Canario. Die Spanier, das sind die vom Festland. Es gibt Universität, Krankenhäuser, Theater und alles an kulturellen Einrichtungen einer Großstadt.

Wie ich drei Tage später an der Ostseite der Insel in den Süden fahre, habe ich den Eindruck, ich fahre da an verlassenen Baustellen vorbei. Riesige Flächen sind mit Netzen verhüllt. Darunter vermute ich die Landwirtschaft. Dazwischen ist trockenes Gestein. Wenn es keine netzverhangene Landschaft gibt, dann ist es bergige Steinwüste. Es kommt eine Gegend mit einem Wald von Windrädern. Ich hatte keinen Blick für die höchsten Gipfel der Insel. Wahrscheinlich war er von Wolken verhangen, wie sehr häufig. Und dann das Urlauberparadies, die Rentnerresidenz und Hotelstadt Maspalomas! Hier überwintern die Rentner aus Mittel- und Nordeuropa. Das ist keine gewachsene Stadt mit einigen Hotels für Gäste. Nein, das ist eine Anhäufung von Hotels, viel künstliches und gut gepflegtes Grün dazwischen. Ein gutes Dutzend Shoppingcenters sind in der Stadt verteilt. Die Dünen im Süden sind umzingelt von Hotels und Appartements. Die Leute, die hier arbeiten, wohnen in den Außenbezirken.

Das ist der erste Eindruck auf mich, dem ziemlich geschlauchten, bestohlenen und unausgeschlafenen Binneneuropäer. In diesem Zustand kann ich nur Unangenehmes, Heruntergekommenes, Nekrophiles wahrnehmen. Selbst die Pflastersteine sind gegen mich. Immer wieder stolpere ich über einen.

Drei Kilometer nördlich des nordöstlichen Stadtrandes von Maspalomas finde ich eine Bleibe auf dem Eco Huertos der Nuria. Mit Google-Earth leicht zu finden: 27°47'45,24''N, 15°36'28,76''W. Im kleinen Holzhäuschen, links neben dem Hauptgebäude finde ich meine Ruhe. Details über mein physisches Ankommen und erste Tätigkeiten hier, sind im Beitrag „Von St. Gotthard nach San Bartolome“ zu lesen.

  

Diese Erschöpfung – da wirken auch vier Wochen Intensiv-Baustelle daheim noch nach – klingt im Laufe des nächsten Monats ab. Birgit mit ihrem Besuch trägt ordentlich bei dazu.

Sie bringt mir einen neuen Laptop mit. (Den nagelneuen Vorgänger habe ich mir auf der Anreise in Barcelona stehlen lassen). Ich habe nun wieder alle meine wichtigen Programme, Files und Dateien vom alten PC daheim. Mein Hirn ist nachgekommen, zumindest der Teil, in den ich fast mein ganzes Merken ausgelagert habe. Und dann die unglaubliche Fähigkeit, an unglaubliche Informationen heranzukommen und schließlich meine weltweite Kommunikationsfähigkeit –  das alles habe ich nun wieder da.

Allmählich findet mich auch meine Seele wieder. Auch da hat der Besuch aus der Heimat einiges mitgebracht.

 

Es beginnt die Zeit des Suchens nach Mitsegelgelegenheiten.

Mit Birgit am Steuer des Leihautos suchen wir zwei Tage lang alles ab, was nach Hafen aussieht. Wo immer sich ein Brett zeigt, hefte ich meinen Zettel dran: „Skipper mit Erfahrung, Nichtraucher, Nichtschnarcher, teamfähig, angenehmer Typ sucht Mitsegeln in die Karibik …..“. Wie sich später zeigen wird, war das alles völlig überflüssig. Nicht einen einzigen Eigner hat so ein Zettel dazu bewegt, mich anzurufen. Auf den Stegen bin ich herumgelaufen und bin mit vielen Eignern ins Gespräch gekommen – ich habe viele wichtige Dinge erfahren, aber keiner hat mich mitgenommen, keiner hat jemanden veranlasst, nach mir zu fragen. Später bin ich noch in Fuerteventura, auf Teneriffa und La Gomera gewesen. Auch dort das gleiche. Ich bin nicht gefragt.

In Las Palmas an Steg 17 traf ich auf Annelise und Helmut aus dem Osten Österreichs. Als sie mich sahen, sind sie einen Tag lang unsicher gewesen, ob sie wirklich alleine fahren werden. Doch dann haben sie doch abgesagt. Ich werde sie später auf den Kap Verden wieder treffen.

Erfolgreiche Reaktionen gab es fast nur aus dem Internet. Da gibt es Foren, die von Segelclubs, Zeitschriften, Gewerbetreibenden und Privatpersonen unterhalten werden. Dahinein habe ich mein Angebot/meine Nachfrage gesetzt, die Angebote und Nachfragen anderer angesehen und fallweise beantwortet.

Dank dieser Aktivität gab es Ende November zwei Anrufe: Ich sei herzlich willkommen an Bord, aber morgen. Ich habe abgesagt, weil ich neuerlich Besuch erwartete. Dann die Sache mit dem Eigner W, der einen Skipper für sein Stahlboot sucht. Ich war entschlossen, diese Herausforderung anzunehmen. W hätte sein Boot vorher (ohne mich noch gesehen zu haben) gerne weltweit Vollkasko versichern lassen. Weil das hier keine Versicherung gemacht hat, ist er wieder zurück ins Mittelmeer gefahren.

 

Die Insel wird schöner

Je länger ich hier auf der Insel bin, umso mehr werde ich vertraut mit allem. Was zunächst unwirtlich, ungewöhnlich und abweisend erschienen ist, wandelt sich mehr und mehr zu freundlicher Umwelt. Ich bin noch immer sicher, dass ich hier auf Dauer nicht leben möchte. Denn ich weiß, dass ich Lebensfreude aus der Natur tanke. Und zwar aus einer Natur, in der ich Tradition habe, aus der ich schon tausende male erfrischt worden bin. Ich vermute, dass ich zurzeit sehr aus Vorräten von zu Hause lebe.

Acht Wochen nach meiner Ankunft auf Gran Canaria habe ich mit dem Autobus eine Fahrt auf die Nordseite der Insel gemacht, nach San Mateo. Die Straße führt auf Seehöhe von rund 1000 m in engen und steilen Serpentinen auf und ab. Je weiter wir an die Nordseite der Insel gelangen, umso grüner wird es. Da wächst richtig Gras neben der Straße - wie hat mich das überrascht! Da sieht es ja aus wie zu Hause. Grüne Matten, richtige Wälder. Und Kulturen, die nicht unter grauen Netzen verhangen und versteckt sind. Es hat mir richtig wohl getan, zu sehen, dass dieses trockene, dürstende Land nur die eine Hälfte der Insel ist.

 

Freilich, die Natur ist nicht die einzige Quelle der Freude. Da gibt es die Kulturen im Garten. Die zuvor gesetzten Pflanzen wachsen. Schließlich werden sie geerntet. Kunden kommen und freuen sich über meine Arbeit, den Salat, den Ruccola, die Zucchini, die Roten Rüben und den Spinat.

 

Und schließlich die Menschen

hier auf der Finka die anderen WWOOFer und der Freundeskreis der Nuria. Der Verkauf im Laden schenkt interessante Gespräche mit interessanten Menschen. Mehr als die Hälfte der Kunden kommen aus Deutschland. Wenn sie gar aus Bayern sind, kann ich meinen Dialekt reden und hören. In der Fremde werde ich zum Patrioten. In der Sailers Bar in Las Palmas höre ich kärtnerische Töne. Das geht nicht anders, da muss ich ein paar Takte Small-Talk machen mit ihnen.

   

   

 

Gerne bin ich mit der Tourismusgemeinde der Ev. Kirche Deutschlands gewandert. Es gab so manch interessantes Gespräch, aber auch schweigsames miteinander Wandern entlang der schönsten Wege der Insel.

        

      

        

 

 

Und dann meine Besucher

Erst die Birgit. Sie ist Lehrerin, hat Sabatiko, schaut sich um in der Welt und bei mir vorbei. Dann die Christa. Mit Christa im Leihauto fahre ich wieder alle Häfen ab und aktualisiere mein Segelangebot an den schwarzen Brettern. Sie ist in den Vorjahren, wie Max und Erwin, des Öfteren als Crew mit mir gesegelt. Ich habe sie ordentlich infiziert mit dem Segelvirus. Alle drei haben inzwischen den Segelschein gemacht.

 

Erst mit Christa, ein paar Wochen später mit Max unternehme ich mit dem Leihauto eine Runde in den Westen der Insel: Von Mogan nach San Nicolas. Wir kommen an unglaublich kräftig grüne, gelbe, orange und rot geschichtete Felsen vorbei. Und überhaupt die steilen Felsgalerien, ausgehöhlt und zerklüftet – ich habe nie vorher solches gesehen. In engen, wilden Schluchten geht es hinauf nach Artenara. Hier beginnt es wieder grün und fruchtbar zu werden – und sehr kalt. Mit Max esse ich hier im sensationell zugigen Restaurant kanarisches Kaninchen. Dann nahe dem höchsten Berg in Regen und Nebel auf die Ostseite hinüber und schließlich zum Flugplatz.

 

Und meine Auseinandersetzung mit den Steinen

Auch sie zeigen sich zu Beginn meiner Zeit auf Gran Canaria widerlich und störend. Kübelweise entferne ich Stine aus dem Boden, den ich für das Bepflanzen vorbereite. Erst später nehme ich sie als Bausteine in die Hand: Den betonierten Küchenkorpus damit belegen. Eine niedrige Mauer errichten, hinter die Erde gefüllt und Grünes gepflanzt wird. Der Höhepunkt meiner „ästhetischen Steinzeit“ ist die straßenseitige Fassade des Hauses. Sie bekommt im unteren Bereich große Steinplatten. Nuria wünscht sich einen wellig-unregelmäßigen oberen Abschluss, nach etwa 20 bis 50 cm. Das ist auch ganz mein Geschmack – bloß nichts Gerades, Reißbrettfreundliches. In der Natur ist die gerade Linie eine sensationelle Ausnahme. Darüber soll die Fassade ineinander verlaufend blau und weiß werden.


 

Die Steinzeit der Altkanaren

Gleich zu Beginn meiner Zeit auf Gran Canaria habe ich das Freilichtmuseum über die Welt der Aborigenes aufgesucht. In der Regel werden sie die Guanchen bezeichnet. Vom Schicksal dieser Menschen habe ich mich sehr berühren lassen. Woher sie gekommen, darüber forscht man noch. Sie sind die längste Zeit keine Seefahrer gewesen, die etwa mal nach Afrika geschaut hätten. Die Spanischen Konquistadoren berichten allerdings von Einbäumen, die sie gesehen hatten. Als sie von den Europäern ab 1312 entdeckt worden sind, hatten sie Steinzeitkultur.

 

In der Eroberung des Kanarischen Archipels hatten die Spanier die Nase vorn, vor den Portugiesen. Hier sei die planmäßige Invasion Mittel- und Südamerikas geprobt worden, schreibt Harald Braem (Harald Braem: Auf den Spuren der Ureinwohner ISBN 978-84-934857-3-3, 2008 bei Zech, Santa Ursula, Teneriffa). Und Braem weiter: Die Folgen der gnadenlosen, menschenverachtenden Invasionspolitik sind bekannt: Unterwerfung, Vergewaltigung und Versklavung fremder Rassen, die als minderwertig, weil heidnisch eingestuft wurden, systematischer Völkermord im Namen des Kreuzes an den Ureinwohnern…

Sie müssen wackere Krieger und Kriegerinnen gewesen sein. In erbitterten Schlachten sind sie letztlich besiegt und großteils getötet worden. 1496 ist Teneriffa als letzte der Kanarischen Inseln nach erbitterten Kämpfen gefallen. Es gibt auch dramatische Freitodgeschichten. Die Tradition der Guanchen hat aufgehört. Ihre Kultur ist ausgelöscht.

Ihre Gene sind bei den heutigen Kanaren zu einem nicht unbedeutendem Teil vorhanden. (Zitat aus Harald Braem) Es scheint mir, die heutigen Kanaren blickten mit gewissem Stolz auf ihre „Vorfahren“, obgleich deren Erbgut, meines Erachtens, nur gering vorhanden ist. Das was im Museum auf der Tafel in schlechtem Deutsch zu lesen ist, spricht für den Respekt und die Würde, die dessen Verfasser den Altkanaren darbringt.

 

     

Die Eroberer sind auch sehr sorglos mit der Nutzung des Holzes umgegangen. Einstmals ausgedehnte Wälder von Palmen und Kiefern sind nie wieder aufgeforstet worden. Man kann diesen Menschen nicht mehr vorwerfen, als wir heute Lebenden uns vorwerfen dürfen, wenn wir etwa so tun, als gäbe es keinen Klimawandel. Sie haben sich einfach genommen, was da war. Niemand der heute Lebenden hat die Bäume je gesehen, die da mal gestanden sind. Sie scheinen niemanden zu fehlen. Es wird ganz normal sein, das geänderte Klima in den nächstem Jahren. Niemand wird schuld sein. Jeder hat nur das getan, was alle anderen auch taten.

Ich weiß nicht genau, wie die Spanier im Allgemeinen über ihre Zeit als Eroberer, Invasoren und Missionare heute denken. Es scheint ihnen kein Problem mehr zu sein, falls es ihnen je eines gewesen sein sollte. Niemand erhebt mehr Schadensersatzansprüche, niemand pinkelt ihnen deshalb ans Bein.

Jeder Straftäter hat Anspruch auf ein faires, rasches Verfahren. Er ist dank Gesetz geschützt, dass ihm seine Straftaten nicht vorgehalten werden, wenn er dafür bereits einmal rechtskräftig verurteilt worden ist. Bei Verjährung, ich bin nicht sicher, dürfte das auch so sein. Es ist ein Akt der Menschenwürde, des Verzeihenkönnens und vor allem der Seelenhygiene. Letztgenanntes sowohl für den Straftäter, wie für den Verzeihenden. Dieser Schlussstrich ist eine gute Basis für Rehabilitation in Gesellschaft, täglichem Leben und vor sich selbst.

In diesem Sinne geht es den Spaniern gut.

Ich frage mich manchmal, was tut es mit uns Menschen in Österreich und Deutschland, wenn wir in einem nicht endenwollenden Gerichtsverfahren, angeklagt von Nichtverzeihenmöchtenden ohne Unterlass mit Straftaten einer früheren Generation konfrontiert werden? Was tut es mit den Nichtverzeihenmöchtenden? Warum tun sie das? Ich fühlte mich auch dann nicht wohl, wenn das unmittelbar nur diese Menschen beträfe. Sie leben ja mit uns und unter uns.

 

Für mich ein bisschen zuviel der Leichtigkeit

Zuletzt hatte mich Hagen im Internet gefunden. Die Leichtigkeit, mit der Hagen sich ein Boot kauft, dem Motor neue Kolben und Zylinder einbaut, ohne Hochsee-Segelerfahrung sich von einem aus Graz stammenden Skipper von Malaga bis Teneriffa segeln lässt, hatte mich sehr fasziniert. Nach einer Probefahrt mit ihm von Teneriffa nach Gran Canaria, bin ich mir klar geworden, dass ich mehr an Sicherheit beanspruche, als Hagens Schiff bietet. Ein zusätzliches Hand-GPS hätte ich investiert. Mein Freund Erwin aus Österreich wäre auch mitgekommen. Er hätte ein geleastes Satelliten-Telefon mitgebracht. Damit hätten wir wenigsten einen sicheren Weg gehabt, allenfalls einen Notruf in die Welt abzusetzen. Meine Vorschläge, einige grundlegende Dinge anzupassen, sind bei Hagen auf taube Ohren, wohl infolge leerer Geldtaschen gestoßen. Wahrscheinlich ist alles gut gegangen. In den Zeitungen habe ich nichts von ihm gelesen.

Ich habe es meinem Nachbar-Freund Willi, dem vom Heiligen Abend in der Kneipe, erzählt. Er ist Segler der alten Schule. Er lacht mich aus und berichtet von Männern, die mit 6 m Booten alleine, ohne Motor, ohne Funk und all dem Kram von Kap Verde abgesegelt und in Brasilien angekommen sind. Dieses GPS, der Funk all dieser Kram, das mache bloß das Segeln so teuer. Von denen, die bloß abgesegelt sind, aber nie angekommen wusste er naturgemäß nichts zu berichten. Mir ist der Bericht eingefallen von jenem Frachtschiff, das mit dem Rigg eines Segelbootes am Bug in New York eingelaufen ist.

 

Nun doch am Steg angeheuert

Und nun habe ich mich für die „Stegbekanntschaft“ der ersten Stunde entschieden – für Arnd aus Bremen, von Sal/Kap Verden nach Martinique. Am 20. Januar fliege ich hin. Versuche über Internet schnell noch ein Mitsegeln zu finden waren fruchtlos.

Gerne wäre ich auch mit dem Patrick aus den USA gesegelt. Ich war mir allerdings unsicher, ob er mein bescheidenes Englisch akzeptieren und ich sein Amerikanisch verstehen würde. Ein Anruf von ihm hatte alle Bedenken zerstreut, allerdings zwei Stunden zu spät. Ich hatte mich bereits mit Arnd verbindlich vereinbart.

 

Gelandet auf Sal, Cabo Verde

Diesmal konnte ich in aller Ruhe meine Sachen packen. Es waren schöne vier Monate hier. Ich war kein Tourist, der alle Sehenswürdigkeiten abgrast. Ich bin kaum im fruchtbaren Norden der Insel gewesen. Ich habe keine der altkanarischen Ausgrabungsstätten gesehen. Ich bin nicht im Palmitos-Zoo gewesen. Am Aqualand bin ich immer nur vorbei gefahren. Das Riesenrad hat sich ohne mich gedreht. Über die Gastronomie von Maspalomas vermag ich kaum eigene Erfahrungen mitzuteilen. Die anderen Inseln habe ich nur kurz besucht. Auf El Hierro und La Palma bin ich gar nicht gewesen. Spanisch habe ich kaum gelernt. Mit Nuria, meiner hauptsächlichen Gesprächspartnerin, konnte ich englisch reden. Der Hund verstand auch deutsch, wenn ich ihm streng die Tür wies. Sein nächtliches Gebell, hätte ich ihm auf Spanisch auch nicht abgewöhnen können. Selbst einen Steinwurf, der ihn nahe dem Auge getroffen hatte, hat ihm weder das Auge, noch die Ohren für mein Problem geöffnet, noch das Maul geschlossen. Verzeih mir, Patty, du bist einer von den bellenden Hunden. Man hat dir dennoch das Leben gelassen. Das ist schön für dich.

Abschiedsessen mit Nuria, den anderen WWOOFerInnen und Walter in einem Landgasthaus. Ausgelassene Stimmung bei der Einweihung meiner Werke auf der Finka.

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Letztes mal Wireless bei Jutta im La Bambina.
  

Paket mit entlastendem Material nach Hause schicken. Flughafen. Schlange stehen. Gepäck aufgeben. Metallfrei durch den Sicherheits-Check. Gürtel wieder umschnallen – es geht gerade noch auf Loch vier. Aber spürbar strenger als bei der Ankunft. Was meine körperlichen Energievorräte betrifft, habe ich mich sichtbar lange genug gut vorbereitet auf die Atlantik-Überquerung. Es ist jetzt wirklich Zeit, zu segeln.

Lizenzbedingungen:
Gran Canaria - Diese Karte ist eine PUBLIC DOMAIN Datei. Dies bedeutet, dass diese Karte ohne Zustimmung weiterverwendet werden darf. Der Originaltext bezüglich Copyright finden Sie unter diesem Link

 

Ich habe Fensterplatz steuerbords bekommen. Der Flieger macht einen schönen Bogen nach SW. Ich blicke auf die Dünen von Maspalomas, die Hotelstadt und die Berge. Ja, da  hinten ist der Barranco Ayagaures. Dass ich meine Finka sehe, mein blaues Zelt, die Fassade, die vielleicht auch einmal braun sein wird, dazu brauche ich etwas Fantasie.


 

  Umsteigen in Praia auf Santiago


Endgültig gelandet in Sal. Man spricht hier portugiesisch. Darauf bin ich sehr schlecht vorbereitet. Auch auf mich sind die Menschen hier schlecht vorbereitet. Kaum jemand spricht englisch, deutsch sowieso nicht. Unter diesen Umständen könnte es sein, dass ich gezwungen bin, innerhalb der einen Woche meines Aufenthaltes hier mehr Portugiesisch zu lernen, als Spanisch in den vier Monaten auf Gran Canaria.

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