Erkundungsfahrt in der Ägäis
14. bis 22.April 2007


Ich laufe am Samstag-Abend des 14. April mit zwei Männern an Bord einer Bavaria 36, gechartert bei Ecker, aus Lavrion aus.
Die Anreise begann am Donnerstag abends. Herwig lädt erst mich, dann Alex ins Auto und ab nach Schwechat. Die Maschine geht kurz nach 23 Uhr. Am sehr frühen Morgen legen wir uns in der Ankunftshalle in Athen, gleich dort, wo die Koffer daher rollen, längsseits auf die Sitzgelegenheiten. Es sollte sich herausstellen, dass dies zum Schlafen der bequemste Ort im öffentlichen Bereich des gesamten Flughafens ist. Ohropax und Augenbinde hätten mir gut ge­tan in der hell beleuchteten und mit Musik berieselten und von Durchsagen beschallten Halle. Hinter dem Zoll haben wir nur Sitze mit Armstützen gesehen, die ein Liegen verunmöglichen.  
U-Bahn und Busse gehen erst wieder ab 6 Uhr früh. Mit dem Taxi (ca € 40,--) hätten wir für den Rest der Nacht freilich auch irgendwo zu Füssen der Akropolis waagrechte Schlafstellen aufsuchen können. Wegen der paar Stunden noch ein Hotel aufzusuchen, das schien uns jedenfalls nicht der Ruhe wert. Wir haben dann gegen 10 Uhr, nach Busfahrt und Fußmarsch unser reserviert gewesenes Hotelzimmer erreicht. Das Hotel liegt, strategisch günstig, un­mittelbar neben dem Akropolis-Gelände. Den Rest des Tages wandeln wir auf den Spuren der antiken Athener und huldigen ausgiebig dem Dionysos. Am Samstag nach gemütlichem Frühstück begeben wir uns per U-Bahn zum Flughafen. Alex macht einen Bus ausfindig – die orange Linie -, der uns nach Lavrion bringen wird. Hier empfangen uns Eurydike, die Sekretärin der Ecker-Yachting-Basisstation und Michael, der Basisleiter. „Wir sind hier ein Dorf“, vertraut Eurydike uns an. Hier ist alles noch sehr entspannt. Die Saison hat noch nicht begon­nen. Wir bringen die Schiffsübernahme hinter uns, kaufen alles ein, was wir zu essen und trinken an Bord haben möchten. Wir haben geplant, vorwiegend an Bord zu kochen. Und so wird es auch sein. Doch an diesem angebrochenen Nachmittag verköstigen wir uns bei einem heimischen Gastronomen, den uns der Michael empfiehlt.
Noch am Abend verlassen wir den Hafen von Lavrion und liegen in der Nacht in einer nahen, südlicher gelegenen Bucht vor Anker.
Am Sonntag, nach sanftem Morgenrot, geht es früh hinaus, erst am Südkap von Makronisos vorbei und dann ab dem Kap Tamelos, an der Südspitze von Kea nach Osten. Das Nordkap von Kythnos bleibt an Steuerbord. In der Ormos Delfini auf Syros gehen wir in der Dämme­rung vor Anker. (Ormos = Bucht auf griechisch). Ein langer Tag! Das waren gleich mal 60 Seemeilen.
Der zweite Tag wird ein starker: Wind aus N und vorwiegend 30 kn, zeitweise deutlich darüber. Und wir beschließen um das Nordkap herum an die Ostseite der Insel zu gelangen. Herrliches Kreuzen, hart an Wind und Welle. Allmählich kommt Kap Trimessos querab, in respektvollem Abstand. Der steife Nordwind kommt nun raum und zuletzt achterlich – das erleichtert uns. Wir gehen in der zwar unfertigen, aber brauchbaren Marina im Hafen von Syros an Leine. Eine heiße Dusche bringt meinen steifkalten Körper wieder in Fluss.


Am Dienstag bleibt der Wind knapp unter 30 kn. Wir nutzen ihn achterlich und wiegen auf achterlich-seitlichen Wogen südwärts bis in die Ormos Nousis auf der Insel Paros. Wir wählen die westliche Bucht. Der Grund ist sandig und gut zum Ankern – wie in allen Buchten, die wir hier angelaufen haben. 
Am Mittwoch dann nur noch 20 kn Wind aus N. Wir segeln ab dem Nordkap von Paros nach WSW nach Sifnos. Unser Abendessen nehmen wir in der Ormos Faros ein. Es gibt dort, weder in Seekarte, noch bei Radspieler dokumentiert, offensichtlich sehr neu, eine Mole mit Platz für ein einziges Schiff – genug, um hier vom nahen Wasserhahn zu tanken. Außerdem gibt es ein grundsätzlich tadelloses Lokal. Leider ist dort unser Vizeskipper infolge Ouzo ein wenig abgedriftet. Bis zur Mole hat ihn der semmelbraune Haushund begleitet, wo der besorgt gewordene Skipper den Gestrandeten schließlich entgegengenommen hat.
Wind und Welle lassen nach. Ersterer dreht nach NW. Auf unserer weiteren Reise heißt es kreuzen, denn wir wollen genau dort hin, wo der Wind her kommt zur Insel Serifos. Zuvor inspizieren wir am SW-Zipfel von Sifnos die einsame Bucht namens Fikidia, die der Skiphans in einem Thread des MM-Forums als schöne Bucht aufgezeigt hat wohlbegründet, wie wir sehen.
Auf Serifos ankern wir in Ormos Koutala, ganz im Süden der Insel. Der an diesem Abend aus SW wehende Wind drängt uns in den Südostbusen der Bucht, nahe der Erzschütte – im Radspieler (das ist der m. W. einzige deutschsprachige Törnführer für Griechenland) nicht aus­gelobt zum Ankern, aber bestens tauglich und bei Wind aus S und SW der einzig richtige Platz. 

 
Wir beginnen ans Heimkommen zu denken. Am Abend des nächsten Tages machen wir im Hafen von Loutra auf Kythnos fest. Noch vor Mitternacht legen wir wieder ab: Der Vizeskip­per braucht noch eine Nachtfahrt für seinen Schein. 
Glutrot der Himmel im Osten. Dann taucht noch röter die Sonne auf. Bald ist sie ganz da, heller und heller werdend. Zum Frühstücken ankern wir in der Ormos Avlika an der Westküste von Attika. Wir erfreuen uns einer schwachen Brise aus N und gleiten wie ein Schmetterling die Genua ausgebaumt, das Groß mit Bullenstander gesichert nach Süden. Es herrscht deutlicher Strom aus N im Kanal zwischen Makronisos und Attika. Bald sind wir am Kap Sounion der Himmel ist bedeckt, es ist kein sagenhafter Sonnenuntergang zu erwarten. So beschließen wir, den Tempel samt Hügel unbestiegen an Steuerbord liegen zu lassen, zumal unangenehme Böen mir das Ankern in der Bucht verleiden. Für die Nacht finden wir die Bucht vor Palaia Fokaia. Die zwei nördlichen Buchten sind voll bestrahlt und beschallt von Licht und Autostraße der gar nicht kleinen Fischersiedlung – was Radspieler verschweigt. Ziemlich unbehelligt von Licht, Schall und Welle nehmen wir das Abendessen aus der Bordküche in der westlichen Bucht südlich des Leuchtfeuers ein. Wir haben hier die Gesellschaft eines guten Dutzends menschenloser „Dauerparker“.
Schließlich ist der letzte Tag angebrochen. Ein einziges kurzes, weil kaltes Bad im Meer und bald sind wir zurück in Lavrion. 
„Wir sind hier ein Dorf,“ hatte uns Eurydike, die Sekretärin von der Basisstation erklärt. Mit allem Reiz und Komfort eines Dorfes, stelle ich nun fest. Wir genießen noch einen schönen Abend in einem kleinen Restaurant, etwas weiter hinten. Eurydike erfreut uns mit ihrer Gesellschaft am Tisch. Sie spricht gutes Deutsch mit entzückenden Austriazismen hat sie doch viele Jahre als Tänzerin an allen Bühnen Wiens gearbeitet. Sie weiß Interessantes wertfrei zu erzählen von Land und Leuten, aus Griechenlands Geschichte von der Antike über Byzanz, die Osmanen bis 1840, und dann das neue Griechenland bis heute.


Nach den windstarken Tagen in den Kykladen, hatte ich Zweifel bekommen, ob ich die Überstellung von Südamerika durch den Pazifik bis Neuseeland, so um Jahreswechsel geplant, mitmachen soll. Michael, der Basisleiter, kennt die Strecke: „Nicht schlimm,“ meint er und erklärt mir die Funktion seines Trinkwasseraufbereiters. Seine selbstgeschweißte und selbst­ausgebaute Ketsch bildet das Ende der Charterboot-Reihe an der Mole. Ich fasse wieder Mut.  
Auf die Gefahr hin, dass man mich der Werbung zeiht das Boot war technisch perfekt, Übernahme und gabe waren korrekt und kooperativ. Die Menschen von der Charterbasis waren ein gesellschaftliches Kleinod. Hiefür mag auch die noch entspannt gewesene Situation in der Vorsaison beigetragen haben. A propos Vorsaison: In fast allen Buchten sind wir allein gewesen. Unterwegs haben wir erst in den letzten Tagen mal andere Segler am Horizont auf­tauchen sehen. In den beiden Häfen, die wir angelaufen hatten, war viel Platz, die Kneipen dennoch nicht leer. Auch aus dieser Sicht in diesem Revier eine empfehlenswerte Segelzeit. 


Mein Dank gilt allen Postern im www.mittelmeer-skipper-forum.de , die auf meine Frage gute Tipps gegeben haben! Aufgegriffen und verwirklicht habe ich vor allem die von Ricci und Skiphans. Danke auch den anderen Postern – Achim und Max. Sie sind mir wichtige Entscheidungshilfe gewesen. Danke auch für die Hinweise auf die „Schönsten Buchten in der Ägäis“, die ich einem Thread ähnlichen Titels gefunden habe! Das Wetter haben wir vorgefunden, wie von Ricci in Aussicht gestellt: „Im April kannst du alles haben.“ 
Ich bin verwöhnt vom Beständig, dem Törnführer für Kroatien. Den Radspieler erlebe ich etwas umständlich, unübersichtlich und unvollständig. Aber es reicht letztlich. 
Zur Statistik: Wir sind 276 Seemeilen gefahren, davon 205 unter Segel, an 9 Bordtagen und in 1 Nachtfahrt. Die Charter-Gebühr lag bei € 1100,--. Das Wetter konnten wir ganz unkompliziert immer in der Charterbasis nachfragen. Kurzwellenempfänger und UKW-Funk haben die Stille und Abgeschiedenheit an Bord nicht beeinträchtigt. Geflogen sind wir mit Skyeurope, der slowakischen Billig-Linie um € 100,- je Person, einschließlich aller Flughafengebühren und einer Versicherung. Dass ich mit diesem Flug (mein erster wieder mal nach 8 Jahren) den Klimawandel gefördert habe, betrübt mich. Als Pensionist könnte ich mir eigentlich auch die Zeit für An- und Abreise mit Bahn und/oder Fähre leisten. Für das Hotel in Athen haben wir im Dreibettzimmer je Mann € 30,-- bezahlt. Für Bus oder U-Bahn hatten/hätten wir € 3,20 je Fahrt zu bezahlen gehabt. Der Zutritt zum eigentlichen Tempel auf der Akropolis hätte € 12,-- gekostet. Wir haben es bei dessen Betrachtung von unten belassen. Dieses Geld haben wir lieber direkt in die Huldigung von Dionysos eingebracht - ganz im Sinne der zornigen Anklage eines Atheners, die wir am Westhang des Akropolis-Hügels entgegengennehmen durften:  
Voll Leidenschaft beklagt er die öffentliche Prostitution, die die antiken Heiligtümer erleiden müssen, wenn da oben Eintritt kassiert wird. Ein kleiner Triumph für ihn ist die Tatsache, dass der Tempel am höchsten Punkt steht, während die später gekommenen christlichen Kirchen weiter unten stehen müssen. Ich hatte den Eindruck, dass die antike Götterwelt für diesen Mann starke Realität auch der Gegenwart ist. Und da tut ihm der oberflächliche Trubel auf der Akropolis freilich weh. „Der hat’s nicht leicht,“ kommentiert ihn unser Alex. Unser Gespräch und meine Gedanken ranken sich um Betrachtungen, wie schwer das Leben werden kann, wenn man sich auf Vorstellungen jenseitiger, transzendenter (= jenseits des Vorstellbaren) Welten stark und konsequent fixiert, und wie wichtig es andererseits für die Stabilität unseres Zusammenlebens sein dürfte, dass für Menschen, die ohne das nicht leben könnten, solche fixen Vorstellungen angeboten werden. 
Gut vorbereitet durch diese Erkundungsfahrt freue ich mich auf zwei Wochen im Herbst, in denen ich mit einer gemischten Crew von fünf oder sechs Menschen an Bord, einen vermutlich etwas weiteren Kreis durch die Kykladen ziehen werde. Ich hoffe dann auf wieder maßvoll gewordene Winde (der Meltemi, so heißt es, verfliegt Ende August und die Hauptsaison für die Segler ist auch vorbei), aussteuerbare Welle und freue mich auf freundliche Menschen an und außer Bord!

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